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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Ladysmith erweisen: made in Korea und auf einem Flohmarkt in South Nashville für siebenunddreißig Dollar gekauft) auf ihren Mann zielen, der nun zumindest die Gefahr erkannt hat und stehen geblieben ist. In Lisey-Zeit spielt sich das alles sehr, sehr langsam ab. Sie sieht das Geschoss nicht wirklich aus der Pistolenmündung kommen – nicht ganz –, aber sie hört Scott sehr mild und scheinbar über zehn bis fünfzehn Sekunden hinweg gedehnt sagen: »Reden wir darüber, junger Mann, einverstanden?« Und dann sieht sie Feuer in einer unregelmäßig geformten gelb-weißen Wolke aus der vernickelten Mündung der Waffe hervorbrechen. Sie hört einen Knall – lächerlich, unbedeutend, als hätte jemand eine aufgeblasene Papiertüte platzen lassen. Sie sieht Dashmiel, Mr. Southern Fried Chickenshit, scharf nach links davonflitzen. Sie sieht, wie Scotts Gewicht sich nach hinten auf die Absätze verlagert. Gleichzeitig reckt er das Kinn nach vorn. Diese Kombination ist eigenartig und elegant zugleich – wie die Figur in einem Tanz. In der rechten Seite seines Sportsakkos öffnet sich ein schwarzes Loch. »Junger Mann, das wollen Sie nicht wirklich tun«, sagt Scott mit seiner gedehnten LiseyZeit-Stimme, und selbst in Lisey-Zeit kann sie hören, wie seine Stimme mit jedem Wort dünner wird, bis sie wie die eines Testpiloten in einer Unterdruckkammer klingt. Trotzdem glaubt Lisey, dass er noch immer nicht weiß, dass er angeschossen ist. Da ist sie sich fast sicher. Sein Sportsakko öffnet sich wie ein Tor, als er die Hand zu einer gebieterischen Schluss damit- Geste ausstreckt, und sie nimmt zwei Dinge gleichzeitig wahr. Das eine ist, dass das Hemd unter seinem Sakko sich blutrot verfärbt. Das andere ist, dass sie endlich andeutungsweise zu rennen begonnen hat.
    »Ich muss diesen ganzen Bimbam beenden«, sagt Gerd Allen Cole mit vollkommen klarer, verdrießlich klingender Stimme. »Ich muss all diesen Bimbam für die Freesien be enden.« Und Lisey ist sich plötzlich sicher, dass Blondie sich erschießen oder einen Selbstmordversuch vortäuschen wird, sobald Scott tot ist, der irreparable Schaden angerichtet. Im Augenblick muss er allerdings diese Sache zu Ende bringen. Die Sache mit dem Schriftsteller. Blondie spreizt sein Hand gelenk leicht ab, sodass die rauchende Mündung der .22er Ladysmith nun auf Scotts linke Brustseite zielt; in Lisey-Zeit ist es eine ruhige, elegante Bewegung. Die Lunge hat er schon erwischt; jetzt nimmt er sich das Herz vor. Lisey weiß, dass sie das nicht zulassen darf. Soll ihr Mann irgendeine Chance haben, darf dieser mörderische Spinner ihn nicht mit noch mehr Blei vollpumpen.
    Wie um ihr zu widersprechen, sagt Gerd Allen Cole: »Es hört erst auf, wenn du niedergestreckt bist. Du bist an diesen Wiederholungen schuld, alter Junge. Du bist die Hölle, du bist ein Affe, und nun bist du mein Affe!«
    Diese wenigen Sätze, seine einzige immerhin fast verständliche Äußerung, verschaffen Lisey gerade genug Zeit, um erst mit dem silbernen Spaten auszuholen – der Körper versteht seine Sache, und die Hände haben ihre Position am oberen Ende des gut einen Meter langen Stiels bereits gefunden – und dann zuzuschlagen. Trotzdem ist es eine knappe Ange legenheit. Wäre dies ein Pferderennen, hätte am Totalisator zweifellos die Aufforderung WETTSCHEINE BEHALTEN, AUF ZIELFOTO WARTEN geblinkt. Findet das Rennen jedoch zwi schen einem Mann mit einer Pistole und einer Frau mit einer Schaufel statt, braucht man kein Zielfoto. In verlangsamter Lisey-Zeit sieht sie, wie das silberne Spatenblatt die Waffe trifft und nach oben wegschlägt, als eben wieder diese Feuer wolke aus ihr hervorbricht (die Lisey diesmal nur teilweise sieht, während die Mündung ganz hinter dem Blatt verborgen bleibt). Sie sieht das silberne Ende des Zierspatens seinen Weg nach schräg oben fortsetzen, während der zweite Schuss harmlos in den heißen Augusthimmel verpufft. Dann sieht sie die Pistole davonfliegen und hat Zeit, sich zu sagen: Heilige Scheiße! Was für ein Schlag!, bevor der Spaten Blondies Ge sicht trifft. Seine Hand ist noch dazwischen (drei dieser langen Finger werden ihm gebrochen), aber das silberne Spatenblatt trifft mit fast unverminderter Wucht sein Gesicht, bricht Cole das Nasenbein, zertrümmert seinen rechten Wangenknochen samt Knochenrand um das starrende rechte Auge und schlägt ihm neun Zähne aus. Ein Mafiaschläger mit einem Schlagring hätte keine bessere Arbeit leisten können.
    Und jetzt

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