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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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die Intensivstation wird sie im zweiten Stock finden. Diese Intuition ist so stark, dass sie fast erwartet, am Fuß der Treppe einen schlichten fliegenden Teppich in Form eines Mehlsacks heranschweben zu sehen: ein mit Mehl bestäubtes Quadrat aus Baumwolle, das quer mit den Worten PILLSBURY'S BEST FLOUR bedruckt ist. Natürlich gibt es nichts dergleichen, und als sie den Treppenabsatz im zweiten Stock erreicht, ist sie klebrig verschwitzt, und ihr Herz rast. Aber an der Tür steht tatsächlich BGCH INTENSIVSTATION und verstärkt noch dieses Gefühl, in einem Wachtraum zu sein, in dem Vergan genheit und Gegenwart sich in einer Endlosschleife vereinigt haben.
    Er ist in Zimmer 319, denkt Lisey. Dessen ist sie sich sicher, obwohl sie sehen kann, dass sich sehr viel geändert hat, seit sie zum letzten Mal im Krankenhaus war, um ihren verletzten Mann zu besuchen. Am auffälligsten sind die Bildschirme über jeder Tür, die in Rot und Grün alle möglichen Werte anzeigen. Die einzigen, die Lisey zweifelsfrei erkennt, sind Puls und Blutdruck. Oh, und die Namen, die kann sie lesen. COLVETTE- JOHN , DUMBARTON- ADRIAN , TOWSON- RICHARD , VANDERVEAUX- ELIZABETH ( Lizzie Vanderveaux, fast ein Zun genbrecher, denkt sie), DRAYTON- FRANKLIN . Sie nähert sich jetzt Zimmer 319 und denkt: Die Krankenschwester wird mit Scotts Tablett in den Händen herauskommen und mir dabei den Rücken zukehren. Ich will sie nicht erschrecken, aber ich werde es natürlich tun. Sie wird das Tablett fallen lassen. Tel ler und Kaffeetasse werden überleben, sie sind aus stoßfestem Cafeteria-Porzellan, aber das Saftglas wird in tausend Stücke zersplittern.
    Aber diesmal ist es nicht Morgen, sondern Nacht, auf dem Gang drehen sich keine trägen Deckenventilatoren, und der Name auf dem Monitor über der Tür von Zimmer 319 lautet YANEZ- THOMAS . Trotzdem ist ihr Déjà-vu-Gefühl so stark, dass sie rasch einen Blick hineinwirft und in dem einzelnen Bett einen riesigen gestrandeten Wal von einem Mann – Tho mas Yanez – liegen sieht. Dann hat sie das Gefühl, aufzuwa chen, wie es Schlafwandler manchmal haben; sie sieht sich zunehmend verwirrt und ängstlich um, indem sie denkt: Was tue ich hier? Bestimmt werde ich ausgeschimpft, weil ich allein hier oben unterwegs bin. Dann denkt sie: THORAKOTO MIE . Sie denkt: SOBALD SIE IHR EINVERSTÄNDNIS ZU DER OPERATION ERTEILEN und kann das Wort OPERATION fast in tropfenden blutroten Lettern geschrieben sehen. Statt den zweiten Stock zu verlassen, folgt sie dem Korridor zu dem heller beleuchteten Zentralbereich, wo das Stationszimmer liegen muss. Ein schrecklicher Gedanke beginnt in ihr aufzu steigen
    (was wenn er bereits)
    aber sie schiebt ihn von sich weg, unterdrückt ihn ener gisch.
    Im Stationszimmer ist eine Krankenschwester, auf deren Uniform Warner-Comicfiguren verrückte Kapriolen schla gen, damit beschäftigt, Zahlen in vor ihr ausgebreitete Tabellen einzutragen. Eine andere spricht sotto voce in ein winziges Mikrofon am Revers ihres konventionelleren Schwesternkittels aus weißer Kunstseide und liest anschei nend Werte von einem Monitor ab. Hinter ihnen fläzt sich ein schlaksiger Rothaariger, dessen Kinn auf seinem weißen Oberhemd ruht, auf einem Klappstuhl. Hinten über der Stuhllehne hängt ein dunkles Jackett, das zu seiner Hose passt. Er hat die Schuhe ausgezogen und die Krawatte abgelegt – Lisey kann ein kleines Stück davon aus einer Tasche seines Jacketts ragen sehen. Eine Vorahnung mag ihr gesagt haben, dass Scott das Bowling Green Community Hospital nicht lebend verlassen wird, aber sie ahnt nicht im Geringsten, dass sie den Arzt vor sich hat, der ihn operiert und sein Leben so verlängert hat, dass sie nach ihren fünfundzwanzig meist guten – Teufel, meist wundervollen – gemeinsamen Jahren Abschied voneinander nehmen können. Lisey schätzt den Schlafenden auf ungefähr siebzehn und vermutet, er könnte der Sohn einer der Schwestern sein, die auf der Intensivsta tion Dienst tun.
    »Entschuldigung«, sagt Lisey. Beide Krankenschwestern fah ren auf ihren Stühlen zusammen. Diesmal hat sie es geschafft, zwei Schwestern statt nur einer zu erschrecken. Die mit dem kleinen Mikrofon wird ein »Oh!« auf ihrem Tonband haben. Lisey ist das scheißegal. »Mein Name ist Lisa Landon, und so viel ich weiß, ist mein Mann, Scott …«
    »Mrs. Landon, ja. Natürlich.« Das ist die Krankenschwes ter mit Bugs Bunny auf der einen Brust und Elmer Fudd, der mit einer Schrotflinte auf ihn zielt, auf der

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