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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Bänderzerrung zugezogen hatte, ihr warnend erklärt hatte, dass sie in Zukunft gut auf diesen Knöchel achten müsse. Wenn die Bänder erst mal überdehnt sind, hatte er gesagt, sind sie nächstes Mal viel anfälliger .
    Nächstes Mal viel anfälliger, richtig. Und es hatte sie ge sehen. Dieses Auge, groß wie eine Doline, tot und lebendig zugleich, hatte auf ihr geruht.
    »Lisey, du bist so tapfer«, sagte Amanda mit schwacher Stimme. Sie warf einen letzten Blick auf den sanft ansteigen den Lupinenhügel, der im heller werdenden Mondschein rät selhaft silbrig erschien, und vergrub ihr Gesicht dann wieder am Hals ihrer Schwester.
    »Red weiter solchen Unsinn, dann liefere ich dich morgen wieder in Greenlawn ein. Mach die Augen zu.«
    »Die sind zu.«
    Lisey schloss selbst die Augen. Sekundenlang sah sie diesen quadratischen Schädel, der überhaupt kein Schädel war, sondern nur ein Rachen, ein Rüssel, ein Trichter in eine mit endlos kreiselndem Bösmüll angefüllte Dunkelheit. Darin hörte sie Jim Dooley weiter schreien, aber das klang jetzt dünn, war mit anderen Schreien vermischt. Mit einer Willensanstrengung, die ihr übermenschlich erschien, wischte sie die Bilder und Geräusche beiseite, ersetzte sie durch das Bild des Schreibtisches aus Rotahorn und die Stimme von Ole Hank – wem sonst? –, der »Jambalaya« sang. Sie hatte noch Zeit, sich daran zu erinnern, wie Scott und sie anfangs nicht hatten zurückkehren können, obwohl es wegen des herannahenden Long Boys so dringend notwendig war, sich daran zu erinnern
    (es ist der African Lisey ich spüre ihn wie einen Anker)
    was er gesagt hatte, sich zu fragen, weshalb sie dabei wie der an Amanda denken musste, die das gute Schiff Stockrosen so sehnsüchtig betrachtet hatte (ein Abschiedsblick, wenn es jemals einen gegeben hatte), und dann war die Zeit abgelau fen. Sie spürte wieder eine Veränderung in der Luft, und das Mondlicht verschwand plötzlich. Das wusste sie sogar mit geschlossenen Augen. Sie hatte das Gefühl, kurz und jäh zu fallen. Dann waren sie in Scotts Büro, und hier war es finster, weil Dooley die Stromleitung gekappt hatte, aber Hank Wil liams sang noch immer – My Yvonne, the sweetest one, me-oh my-oh – , weil Ole Hank selbst bei einem Stromausfall immer das letzte Wort haben musste.
    12 »Lisey? Lisey!«
    »Manda, du erdrückst mich, runter von mir …«
    »Lisey, sind wir wieder da?«
    Zwei Frauen im Dunkeln. In einem Knäuel auf dem Tep
    pichboden liegend. »Kinfolk come to see Yvonne by the dozen …« Aus der Nische tönend.
    »Ja, gehst du jetzt bitte runter von mir, ich krieg keine
    Luft!«
    »Entschuldige … Lisey, du liegst auf meinem Arm …«
    »Son of a gun, we'll have big fun … on the bayou!«
    Lisey schaffte es, sich nach rechts zu wälzen. Amanda zog den Arm unter ihr heraus, und im nächsten Augenblick drück te ihr Gewicht nicht mehr auf Liseys Oberkörper. Lisey atmete tief – und zutiefst befriedigend – ein. Als sie wieder ausatme te, hörte Hank Williams mitten im Satz zu singen auf.
    »Lisey, warum ist es hier drinnen so finster?«
    »Weil Dooley die Leitung gekappt hat, weißt du das nicht mehr?«
    »Er hat dafür gesorgt, dass das Licht ausgeht«, wandte Amanda ganz richtig ein. »Wenn er die Leitung gekappt hätte, wäre der Fernseher nicht weitergelaufen.«
    Lisey hätte fragen können, weshalb der Fernseher plötzlich verstummt war, sparte sich aber die Mühe. Es gab andere Din ge, die besprochen werden mussten. Sie hatten Wichtigeres zu tun – andere Fische zu braten, wie Dandy gesagt hätte. »Komm, wir gehen ins Haus.«
    »Damit bin ich voll und ganz einverstanden«, sagte Amanda. Ihre Finger berührten Liseys Ellbogen, tasteten sich den Unter arm hinab und ergriffen ihre Hand. Die Schwestern standen miteinander auf. In vertraulichem Ton setzte Amanda hinzu: »Nichts für ungut, Lisey, aber falls ich jemals wieder herkom me, ist es noch zu früh.«
    Lisey verstand, wie es Amanda zumute war, aber ihre ei gene Einstellung hatte sich geändert. Scotts Büro war ihr unheimlich gewesen, gar keine Frage. Zwei lange Jahre hatte sie es auf Armeslänge ferngehalten. Aber jetzt hatte sie das Gefühl, dass die Hauptarbeit getan war. Amanda und sie hatten Scotts Geist daraus vertrieben: freundlich und – das
    musste sich erst noch erweisen, aber sie war sich ziemlich sicher – vollständig. »Komm jetzt«, sagte sie. »Wir gehen ins Haus. Ich mache uns eine heiße Schokolade.«
    »Und davor vielleicht einen

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