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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sind tiefer und werden vernarben, aber das Blut ist inzwischen geronnen, Gott sei Dank. Arte rien hat sie auch nicht erwischt … Äh, Lisey?«
    »Was? Schnall's – spuck's einfach aus!«
    Um ein Haar hätte sie Darla aufgefordert, es einfach umzuschnallen, was ihrer großen Schwester natürlich nichts gesagt hätte. Was Darla ihr als Nächstes erzählen würde, war garantiert verdammt unangenehm. Das erkannte sie an Darlas Ton, der ihr seit frühester Kindheit vertraut war. Lisey versuchte sich darauf vorzubereiten. Sie setzte sich halb auf die Schreib tischkante, ihre Blickrichtung änderte sich … und, heilige Muttergottes, da stand er in der Ecke, lehnte nonchalant an einem weiteren Stapel Kartons (die tatsächlich mit SCOTT! DIE FRÜHEN JAHRE! beschriftet waren). In dem Winkel zwischen Nordwand und Ostwand stand fast überlebensgroß der sil berne Spaten aus Nashville. Geradezu ein Wunder, dass sie ihn beim Hereinkommen nicht sofort gesehen hatte; das hätte sie bestimmt getan, wenn sie es nicht so verdammt eilig gehabt hätte, nach dem Telefonhörer zu greifen, bevor sich der Anrufbeantworter einschaltete. Die ins Spatenblatt eingravierten Worte konnte sie von hier aus lesen, und o die Erinnerun gen, die sie sofort wachriefen: ERSTER SPATENSTICH – SHIPMAN LIBRARY. Sie konnte fast hören, wie Mr. Southern Fried Chickenshit ihrem Mann erklärte: »Toneh hiah wid drühwa schreim.« Und wie Scott antwortete …
    »Lisey?« Darlas Stimme klang jetzt erstmals wirklich ver zweifelt, weshalb Lisey eiligst in die Gegenwart zurückkehrte. Natürlich war Darla verzweifelt. Canty war mindestens eine Woche lang in Boston, während ihr Mann für seinen Auto handel unterwegs war und an Orten wie Malden und Lynn, the City of Sin, Vorführwagen, Autos aus geplatzten Finan zierungen und Wagen mit abgelaufenen Leasingverträgen kaufte. Darlas Matt reiste unterdessen durch Kanada und ver diente das Geld für ihren nächsten Urlaub durch Vorträge über die Wanderbewegungen verschiedener Indianerstämme Nordamerikas. Damit war erstaunlich gutes Geld zu verdie nen, hatte Darla Lisey einmal anvertraut. Geld konnte ihnen allerdings jetzt nicht helfen. Sie waren ganz auf sich selbst angewiesen. Auf Schwestern-Power. »Lisey, hast du gehört, was ich gesagt habe? Bist du noch …«
    »Klar bin ich noch da«, sagte Lisey hastig. »Die Verbindung war ein paar Sekunden weg, sorry. Vielleicht liegt's an diesem Telefon – es ist lange nicht mehr benutzt worden. Es steht unten in der Scheune. In dem Raum, der vor Scotts Tod mein Büro werden sollte.«
    »O ja, klar.« Darla wirkte leicht verwirrt. Hat keinen blassen Schimmer, wovon ich rede, dachte Lisey. »Kannst du mich jetzt hören?«, fragte ihre Schwester.
    »Laut und deutlich.« Lisey betrachtete den silbernen Spa ten, während sie sprach. Dachte an Gerd Allen Cole. Sagte sich: Ich muss all diesen Bimbam für die Freesien beenden.
    Darla holte gewaltig Luft. Es hörte sich an, als käme jeden Moment ein Windstoß durchs Telefon. »Sie will's nicht zugeben, aber ich glaube, sie … nun … diesmal hat sie ihr eigenes Blut getrunken, Lisey – als ich gekommen bin, waren ihre Lippen und das Kinn ganz blutig, obwohl sie gar keine Verletzung im Mund hat. Sie hat ausgesehen wie wir früher, wenn Good Ma uns einen ihrer Lippenstifte zum Spielen gegeben hat.«
    Was Lisey dabei einfiel, waren nicht die alten Kostümier und Make-up-Zeiten, nicht jene Tage, an denen sie in Good Mas hochhackigen Pumps umhergestakst waren, sondern die ser heiße Nachmittag in Nashville, an dem Scott in der Hitze zitternd und mit blutrot verschmierten Lippen auf dem Asphalt gelegen hatte. Niemand liebt einen Clown um Mitternacht.
    Pass auf, Little Lisey. Ich mache dir vor, wie es klingt, wenn es sich umsieht.
    Aber der silberne Spaten glänzte in seiner Ecke … und war er eingedellt? Bestimmt war er das. Sollte sie jemals wieder daran zweifeln, dass sie rechtzeitig eingegriffen hatte … sollte sie nachts jemals wieder in Schweiß gebadet aufwachen, in der Überzeugung, dass sie die entscheidende Sekunde zu spät gekommen war, sodass die restlichen Jahre ihrer Ehe verloren gegangen waren, würde sie …
    »Lisey, kommst du her? In ihren lichten Momenten fragt sie nach dir.«
    In Liseys Kopf schrillten plötzlich Alarmglocken. »Was soll das heißen, in ihren lichten Momenten? Ich dachte, du hättest gesagt, mit ihr sei alles in Ordnung.«
    »Das stimmt auch … ich denke, dass es stimmt.« Eine Pause. »Sie

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