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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gekratzt und gebissen – wegen Puppen, Büchern aus der Bücherei, Anziehsachen. Zum letzten und erbittertsten Kampf war es wegen eines Jungen namens Richie Stanfield gekommen; er war so heftig gewesen, dass Darla in der Notaufnahme im Central Maine General Hospital gelandet war, wo die Platzwunde über ihrem linken Auge mit sechs Stichen genäht werden musste. Die Narbe trug sie noch heute – eine dünne weiße Linie. Als Erwachsene kamen sie geringfügig besser miteinander aus: Noch immer stritten sie viel, doch wenigstens floss dabei kein Blut mehr. Und sie gingen einander möglichst aus dem Weg. Die monatlichen oder zweimonatlichen Sonntagsessen (mit Ehemännern) oder Schwesterntreffs zum Lunch im Olive Garden oder Outback konnten schwierig sein, selbst wenn Manda und Darla getrennt saßen und Lisey und Canty vermittelten. Dass Darla aus Amandas Haus anrief, war kein gutes Zeichen.
    »Irgendwas nicht in Ordnung mit ihr, Darl?« Dämliche Fra ge. Die wirkliche Frage war nur, wie schlimm es diesmal war.
    »Mrs. Jones hat gehört, wie sie rumgeschrien und sich auf geführt und Sachen zerschlagen hat. Wieder einer ihrer GW .«
    Einer ihrer »Gigantischen Wutanfälle«. Gebongt.
    »Sie hatte erst versucht, Canty anzurufen, aber Canty und Rich sind in Boston. Als Mrs. Jones das auf ihrem Anrufbe antworter gehört hat, hat sie mich angerufen.«
    Ja, das war logisch. Canty und Rich wohnten ungefähr eine Meile nördlich von Amanda an der Route 19; Darla wohnte etwa zwei Meilen südlich von ihr. In gewisser Weise ent sprach das dem alten Holperreim ihres Vaters: »Eine flog nach Norden, eine nach Süden übers Land; eine konnt' nicht hal ten ihren Lästerrand.« Lisey selbst war ungefähr fünf Mei len entfernt. Mrs. Jones, die auf der anderen Straßenseite von Mandas wetterfestem Cape-Cod-Haus wohnte, hatte natür lich gewusst, dass es besser war, zuerst Canty anzurufen – und das nicht nur, weil sie räumlich am nächsten war.
    Rumschreien und sich aufführen und Sachen zerschlagen.
    »Wie schlimm ist es diesmal?«, hörte Lisey sich in nüchter nem, seltsam geschäftsmäßigem Ton fragen. »Soll ich kom men?« Was natürlich hieß: Wie schnell soll ich kommen?
    »Sie ist … ich denke, sie hat sich vorläufig beruhigt«, sagte Darla. »Aber sie hat es wieder getan. An den Armen, auch an ein paar Stellen an den Oberschenkeln. Sie hat sich … du weißt schon.«
    Das wusste Lisey allerdings. Bei drei früheren Gelegenhei ten war Amanda in etwas verfallen, was Jane Whitlow, ihre Psychiaterin, als »passive Semi-Katatonie« bezeichnet hatte. Sie unterschied sich von dem, was
    (pst, nicht davon reden!)
    (und ob)
    Scott im Jahr 1996 durchlitten hatte, war aber trotz allem verdammt beängstigend. Und in allen Fällen war diesem Zu stand eine Periode hoher Erregbarkeit vorausgegangen – die Art Erregbarkeit, die Manda in Scotts Büro an den Tag gelegt hatte, erkannte Lisey jetzt –, der Hysterie und kurze Anfälle von Selbstverstümmelung gefolgt waren. Bei einem dieser Anfälle hatte Manda anscheinend versucht, sich den Nabel herauszuschneiden. Davon war ein geisterhafter Feenring aus weißem Narbengewebe zurückgeblieben. Ohne zu wissen, ob eine kosmetische Operation möglich war, hatte Lisey einmal diese Möglichkeit angesprochen, um Amanda wissen zu las sen, dass sie die Kosten übernehmen würde, falls Manda sich dazu entschloss. Aber das hatte Amanda harsch abgelehnt und dazu amüsiert gekrächzt. »Mir gefällt dieser Ring«, hatte sie gesagt. »Sollte ich mal wieder Lust haben, in mich reinzu schneiden, hält mich sein Anblick vielleicht davon ab.«
    Vielleicht war hier das Schlüsselwort.
    »Wie schlimm ist es, Darl? Sag ehrlich.«
    »Lisey … Schätzchen.«
    Lisey merkte erschrocken (und das Herz noch tiefer sinkend), dass ihre ältere Schwester gegen Tränen ankämpfte. »Darla! Atme tief durch und antworte mir.«
    »Mir fehlt nichts. Ich bin nur … ich hab einen langen Tag hinter mir.«
    »Wann kommt Matt aus Montreal zurück?«
    »Übernächste Woche. Und denk nicht mal daran, mir vor zuschlagen, ihn wegen dieser Sache anzurufen – er verdient das Geld für unsere nächste Winterreise nach St. Bart's und will nicht belästigt werden. Wir kommen allein zurecht.«
    »Tun wir das?«
    »Auf jeden Fall.«
    »Dann erzähl mir, womit wir zurechtkommen müssen.«
    »Okay. Also gut.« Lisey hörte, wie Darla tief Luft holte. »Die Schnitte an den Oberarmen sind nicht tief. Heftpflasterzeug. Die an den Oberschenkeln

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