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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unerschöpflichen Vorrat an stubenreinen und unanständigen Witzen; Charlie Haddonfield, Scotts Agent, der ab und zu noch geschäftlich anrief (meistens wegen irgendwelcher Auslandsrechte und Anthologien mit Kurzge schichten), und die Handvoll von Scotts Freunden, die weiter Verbindung hielten. Aber bestimmt würde keiner von ihnen unter dieser Nummer anrufen, auch wenn sie im Telefonbuch stand. Tat sie das? Lisey konnte sich nicht daran erinnern. Jedenfalls schien keiner dieser Namen zu der Art und Weise zu passen, wie ihr diese Stimme bekannt vorkam (oder es sich einbildete). Aber, verdammt noch mal …
    »Mrs. Landon?«
    »Wer sind Sie?«, fragte sie.
    »Mein Name ist unwichtig, Missus«, antwortete die Stimme, und vor Liseys innerem Auge stand plötzlich Gerd Allen Cole, dessen Lippen sich bewegt hatten wie im Gebet. Wenn nicht die Pistole in seiner langfingrigen Poetenhand gewesen wäre. Lieber Gott, lass dies nicht wieder einen von denen sein, dach te sie. Lass dies keinen weiteren Blondie sein. Zugleich sah sie jedoch wieder den silbernen Spaten in ihrer Hand – beim Abnehmen des Hörers hatte sie, ohne nachzudenken, seinen Stiel gepackt –, der ihr zu versichern schien, dass es sich ge nau um so einen handelte.
    »Mir aber nicht«, sagte sie und staunte selbst über ihren geschäftsmäßigen Ton. Wie konnte ein so forscher, keinen Unsinn duldender Satz aus einem plötzlich so ausgetrockne ten Mund kommen? Und dann wusste sie peng! einfach so, wo sie diese Stimme schon einmal gehört hatte: erst an die sem Nachmittag – auf dem Anrufbeantworter, der mit diesem Telefon verbunden war. Also war es eigentlich kein Wunder, dass sie die Verbindung nicht gleich hatte herstellen können, denn die Stimme hatte ja nur vier Wörter gesagt: Ich rufe wie der an. »Wenn Sie mir nicht als Erstes Ihren Namen sagen, lege ich auf.«
    Am anderen Ende war ein Seufzer zu hören. Er klang müde und gutmütig zugleich. »Machen Sie es mir nicht schwer, Mis sus; ich versuche nur, Ihnen zu helfen. Das tue ich wirklich.«
    Lisey dachte an die krächzende Stimme aus Scotts Lieb lingsfilm Die letzte Vorstellung; sie dachte wieder an Hank Williams, der »Jambalaya« sang: Dress in style, go hog wild, me-oh-my-oh. Sie sagte: »Ich lege jetzt auf, auf Wiederhören, schönes Leben noch.« Obwohl sie in Wirklichkeit nicht einmal den Hörer vom Ohr nahm. Noch nicht.
    »Sie können mich Zack nennen, Missus. Der Name ist so gut wie jeder andere. Okay?«
    »Zack was?«
    »Zack McCool.«
    »Mhm, und ich bin Liz Taylor.«
    »Sie wollten einen Namen, ich habe Ihnen einen gesagt.«
    Das stimmte allerdings. »Und woher haben Sie diese Num mer, Zack?«
    »Von der Auskunft.« Sie stand also im Telefonbuch, was den Anruf erklärte. Vielleicht. »Hören Sie mir jetzt einen Augen blick zu?«
    »Ich höre …« Sie hörte zu … und umklammerte den Stiel des silbernen Spatens … und wartete darauf, dass der Wind sich drehte. Das vielleicht am meisten. Weil eine Veränderung be vorstand. Das verriet ihr jede Faser ihres Körpers.
    »Missus, vor einiger Zeit war ein Mann bei Ihnen, der sich die Papiere Ihres verstorbenen Gatten – zu dessen Tod ich Ih nen mein Beileid ausspreche – ansehen wollte.«
    Lisey ignorierte die Beileidsformel. »Seit Scotts Tod haben mich viele Leute gebeten, seinen Nachlass sichten zu dürfen.«
    Hoffentlich merkte der Mann am anderen Ende nicht, wie ihr Herz raste. »Ich habe allen die gleiche Auskunft gegeben: Ich werde die Papiere irgendwann allen …«
    »Dieser Bursche lehrt an der alten Universität Ihres verstor benen Ehemanns, Missus. Er behauptet, dass diese Universität die logische Wahl ist, weil der Nachlass ohnehin dort landen wird.«
    Lisey antwortete nicht gleich. Sie dachte darüber nach, wie der Anrufer das Wort Ehemann ausgesprochen hatte – halb verschluckt, fast wie Ehmann. Wie er sie Missus genannt hat te. Also niemand aus Maine, kein Yankee und vermutlich kein gebildeter Mann, zumindest nicht nach Scotts Begriffen; sie vermutete, dass »Zack McCool« nie ein College besucht hatte. Und sie stellte fest, dass der Wind sich tatsächlich gedreht hatte. Sie hatte keine Angst mehr. Zumindest im Augenblick war sie nur wütend. Mehr als wütend. Stinksauer wie ein aus dem Winterschlaf geweckter Bär.
    Mit halblauter, gepresster Stimme, die sie kaum als ihre erkannte, sagte sie: »Woodbody. Von dem reden Sie, stimmt's? Joseph Woodbody. Dieser Hundesohn von einem Inkunk.«
    Am anderen Ende entstand eine Pause.

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