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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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musste ihnen zugestehen, dass sie sich Mühe gegeben hatten, doch das fertige Produkt wirkte ihrer unmaßgeblichen Meinung nach nicht sehr glaubwürdig. Trotzdem war die Geschichte irgendwie interessant gewesen. Sie begann in einem englischen Pub, und einer der dort trinkenden alten Käuze behauptete, einen Werwolf könne man nur mit einer Silberkugel töten. Und war Gerd Allen Cole nicht auch eine Art Werwolf gewesen?
    »Unsinn, Mädchen«, sagte sie, während sie ihren Teller ab spülte und in den fast leeren Geschirrspüler stellte, »das hätte Scott vielleicht in eines seiner Bücher einbauen können, aber Märchengeschichten sind nie deine Spezialität gewesen. Oder etwa doch?« Sie knallte den Geschirrspüler zu. Füllte er sich weiter so langsam, würde sie ihn um den Unabhängigkeits tag herum anstellen können. »Willst du diesen Spaten finden, musst du ihn einfach suchen. Willst du's?«
    Bevor sie diese ganz und gar rhetorische Frage beantwor ten konnte, hörte sie wieder Scotts Stimme – die deutliche in der obersten Bewusstseinsebene.
    Ich hab dir eine Nachricht hinterlassen, Babylove.
    Lisey, die nach einem Geschirrtuch hatte greifen wollen, um sich die Hände abzutrocknen, erstarrte mitten in der Be wegung. Sie kannte diese Stimme, natürlich kannte sie die. Sie hörte sie noch immer drei- bis viermal pro Woche, wenn ihre Stimme seine imitierte, um in einem großen leeren Haus ein bisschen harmlose Gesellschaft zu haben. Nur dass sie jetzt so kurz nach all diesem Scheiß mit dem Spaten zu hören gewesen war …
    Was für eine Nachricht?
    Was für eine verdammte Nachricht?
    Lisey trocknete sich die Hände ab und hängte das Geschirr tuch wieder über die Stange, damit es an der Luft trocknen konnte. Dann drehte sie sich um, sodass sie die Spüle hinter und ihre Küche vor sich hatte. Der Raum war erfüllt mit herr lichem Abendlicht (und dem Geruch von Hamburger Helper, der ihr jetzt weit weniger lecker erschien, seit ihr Heißhunger auf das Zeug gestillt war). Sie schloss die Augen, zählte bis zehn und riss sie dann plötzlich auf. Abendliches Sommer-licht überall. Auch in ihr drin.
    »Scott?«, fragte sie, während sie sich auf absurde Weise wie ihre große Schwester Amanda fühlte. Mit anderen Worten: halb verrückt. »Du gehst nicht etwa als Gespenst um, oder?«
    Sie erwartete keine Antwort – nicht die kleine Lisey Debusher, die Gewitter bejubelt und den Zeitraffertrick-Werwolf verspottet hatte. Doch der plötzliche Windstoß, der durchs Fenster über der Spüle hereinfuhr – der die Vorhänge blähte, die Spitzen ihrer noch feuchten Haare bewegte und herzzerreißende Blütendüfte mitbrachte –, konnte beinahe als Ant wort aufgefasst werden. Sie schloss erneut die Augen und glaubte, leise Musik zu hören – keine Sphärenklänge, sondern einen alten Countrysong von Hank Williams: Goodbye Joe, me gotta go, me-oh-my-oh …
    Auf ihren Armen bildete sich eine Gänsehaut.
    Dann erstarb der Windstoß, und sie war wieder nur Lisey. Nicht Manda, nicht Canty, nicht Darla; bestimmt nicht
    (eine flog nach Süden)
    Davongelaufen-nach-Miami-Jodi. Sie war die durch und durch moderne Lisey, die Lisey von 2006, die Witwe Landon. Es gab keine Geister. Sie war Lisey Allein.
    Aber sie wollte diesen silbernen Spaten finden, der ihren Mann für sechzehn weitere Jahre und sieben Romane gerettet hatte. Ganz zu schweigen von dem Newsweek -Titelbild im Jahr 1992, auf dem ein psychedelischer Scott abgebildet und der Titel MAGISCHER REALISMUS UND DER LANDON-KULT in Peter-Max-Buchstaben gestaltet war. Sie fragte sich, wie Roger »Southern Fried Chickenshit« Dashmiel diese Story gefallen haben mochte.
    Lisey beschloss, sich gleich auf die Suche nach dem Spa ten zu machen, solange das späte Licht dieses Frühsommer abends noch anhielt. Gespenster hin oder her, wenn es Nacht wurde, wollte sie nicht mehr draußen in der Scheune oder in der Schreibwerkstatt darüber sein.
    Die Kammern gegenüber ihrem nie ganz fertiggestellten Büro waren dunkle, moderige Kabuffs, in denen einst, als das Haus der Landons noch die Sugar Top Farm gewesen war, Werkzeug, Sattel- und Zaumzeug sowie Ersatzteile für Traktoren und Landmaschinen gelagert gewesen waren. Der größte Raum hatte als Hühnerstall gedient, und obwohl er professionell gereinigt und dann weiß gestrichen worden war (von Scott, der dabei viel von Tom Sawyer gesprochen hatte), hing hier noch immer der schwache Ammoniakgeruch längst verendeten Geflügels. Ein Geruch, den

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