Love
das. Schwamm drüber.«
Sie versteckte die Schere hinter einer Ansammlung stau biger Shampooproben ganz oben in Amandas Handtuch schrank und ging dann – weil ihr nichts anderes einfiel – selbst unter die Dusche. Als sie aus dem Bad kam, sah sie, dass sich um Amandas Hüften herum ein großer feuchter Fleck ausgebreitet hatte, und begriff, dass dies etwas war, was die zwei (mehr oder weniger) anwesenden Debusher-Girls nicht allein würden bewältigen können. Sie schob ein Handtuch unter Amandas nassen Hintern. Dann sah sie auf den Radio wecker auf dem Nachttisch, seufzte, nahm den Telefonhörer ab und wählte Darlas Nummer.
2 Am Tag zuvor hatte Lisey Scott in ihrem Kopf laut und deutlich sagen hören: Ich hab dir eine Nachricht hinter lassen, Babylove. Sie hatte es als ihre eigene innere Stimme abgetan, die seine imitierte. Vielleicht war es so gewesen – wahrscheinlich war es so gewesen –, aber als sie um drei Uhr an diesem langen, heißen Donnerstagnachmittag mit Darla in Lewiston in Pop's Café saß, wusste sie eines ganz sicher: Er hatte ihr ein verdammt gutes Geschenk hinterlassen. Einen verdammt guten Bool-Preis, wie Scott es ausgedrückt hätte. Dies war ein echt beschissener Tag gewesen, aber ohne Scott Landon, ob er nun seit zwei Jahren tot war oder nicht, wäre er noch weit schlimmer gewesen.
Darla sah genauso müde aus, wie Lisey sich fühlte. Tagsüber hatte sie irgendwann die Zeit gefunden, etwas Make-up aufzulegen, aber sie hatte nicht genug Zeug in ihrer Hand tasche gehabt, um die dunklen Ringe unter ihren Augen zu verbergen. So sah sie völlig anders aus als die zornige Dreißigerin, die es sich Ende der Siebzigerjahre zur Aufgabe gemacht hatte, Lisey jede Woche einmal anzurufen und über ihre Pflichten der Familie gegenüber zu belehren.
»Einen Penny für deine Gedanken, Little Lisey«, sagte sie jetzt.
Lisey wollte eben nach dem Süßstoffspender mit Sweet 'N Low greifen. Als sie Darlas Stimme hörte, änderte ihre Hand die Richtung, griff stattdessen nach dem altmodischen Zu ckerstreuer und kippte einen breiten Strom in ihre Tasse. »Ich glaube, heute war Kaffee-Donnerstag«, sagte sie. »Vor allem Kaffee-mit-richtigem-Zucker-Donnerstag. Das hier muss mei ne zehnte Tasse sein.«
»Bei mir auch«, sagte Darla. »Ich war schon ein halbes Dut zend mal auf dem Klo und werde noch mal gehen, bevor wir dieses reizende Lokal verlassen. Gott sei Dank, dass es Pepcid AC gibt.«
Lisey kostete ihren Kaffee, verzog das Gesicht, nahm noch einen kleinen Schluck. »Bist du dir sicher, dass du den Koffer für sie packen willst?«
»Nun, irgendwer muss es tun, und du siehst aus wie der Tod auf Rädern.«
»Oh, vielen Dank!«
»Wenn dir nicht mal deine Schwester die Wahrheit sagt, tut's kein Mensch.«
Das hatte Lisey schon oft von ihr gehört – ebenso wie Die Pflicht bittet nicht um Erlaubnis oder Das Leben ist nun mal nicht fair, die Nummer eins der ewigen Darla-Hitparade. Heute tat es nicht einmal weh. Es löste sogar ein schwaches Lächeln aus. »Wenn du das übernehmen willst, Darl, veran stalte ich deswegen bestimmt kein Armdrücken mit dir.«
»Von ›wollen‹ kann keine Rede sein, ich erkläre mich nur bereit. Du hast bei ihr übernachtet und bist heute Morgen mit ihr aufgestanden. Du hast deinen Teil getan, finde ich. Ent schuldige, ich muss mal 'nen Penny ausgeben.«
Wieder so ein Ausdruck, dachte Lisey, als sie ihr nachsah. In der Familie Debusher, in der es für alles eine Redewen dung gab, hieß urinieren einen Penny ausgeben und Stuhl gang haben – seltsam, aber wahr – einen Quäker begraben . Dieser Ausdruck hatte Scott als vermutlich altschottische Wendung begeistert. Lisey hielt es für durchaus möglich, dass er dorther stammte: Die meisten Debushers kamen aus Irland und alle Andersons aus England, das hatte Good Ma jeden falls behauptet, aber in jeder Familie gab es ein paar Aus reißer, nicht wahr? Aber das interessierte sie kaum. Sie inter essierte die Tatsache, dass einen Penny ausgeben und einen Quäker begraben Fänge aus dem Pool, aus Scotts Pool, waren, und seit gestern schien er ihr so verdammt nahe zu sein …
Heute Morgen hast du nur geträumt, Lisey … das weißt du, nicht wahr?
Sie war sich nicht sicher, was sie über das, was sich heute Morgen in Amandas Schlafzimmer abgespielt hatte, wusste oder nicht – ihr kam alles wie ein Traum vor, selbst ihre Be mühungen, Amanda dazu zu bringen, aufzustehen und ins Bad zu gehen –, aber eines wusste sie bestimmt:
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