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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Amanda war jetzt für mindestens eine Woche in der Kur- und Rehaklinik Greenlawn untergebracht; alles war einfacher gegangen, als Darla und sie erwartet hatten, und dafür hatten sie Scott zu danken. Hier und jetzt
    (hirun-jetz)
    erschien ihr das genug.
    Darla hatte Mandas behagliches kleines Cape-Cod-Haus kurz vor sieben Uhr erreicht: ihr sonst so elegant fri siertes Haar kaum gekämmt, ein Knopf ihrer Bluse nicht zugeknöpft, sodass das Rosa ihres BH s keck hervorlugte. In zwischen hatte Lisey festgestellt, dass Amanda auch nichts essen wollte. Nachdem Lisey sie hochgezerrt und in sitzender Haltung ans Kopfende des Bettes gelehnt hatte, gestattete Amanda ihrer Schwester, ihr einen Löffel Rührei in den Mund zu schieben, was Lisey einige Hoffnung gab – hin und wie der schluckte Amanda, vielleicht würde sie auch das Rührei schlucken –, aber diese Hoffnung zerschlug sich. Nachdem sie ungefähr eine halbe Minute so dagesessen hatte, während etwas Rührei zwischen ihren Lippen sichtbar war (Lisey fand, dass dieses Stück Gelb ziemlich gruselig aussah, als hätte ihre Schwester versucht, einen Kanarienvogel zu essen), stieß Amanda es einfach mit der Zunge aus. Etwas Rührei blieb an ihrem Kinn hängen. Der Rest verkleckerte ihr Nachthemd. Sie starrte weiter gleichmütig in die Ferne. Oder into the mystic, wenn man Van-Morrison-Fan war. Das war Scott zweifellos gewesen, auch wenn seine Schwärmerei für »Van the Man« erheblich abgeflaut war, als er Anfang der Neunzigerjahre das Trinken aufgegeben hatte.
    Darla hatte nicht glauben wollen, dass Amanda jedes Essen verweigerte, bis sie das Rühreiexperiment selbst durchgeführt hatte. Dazu musste sie erst eines machen; Lisey hatte den Rest der beiden ersten Eier in den Müll gekippt. Amandas blick loses Starren hatte ihr jeglichen Appetit auf Big Sissas übrig gebliebenes Rührei geraubt.
    Als Darla hereinmarschiert kam, war Amanda wieder aus ihrer sitzenden Haltung heruntergerutscht – herabgesickert –, und Darla half Lisey, sie wieder hochzuziehen. Dafür war Lisey dankbar. Ihr Rücken tat bereits weh. Sie konnte sich kaum vorstellen, wie es sein würde, eine Kranke in diesem Zustand unbegrenzt lange tagaus, tagein zu versorgen.
    »Amanda, ich möchte, dass du das hier isst«, sagte Darla in dem strengen, keinen Widerspruch duldenden Ton, an den Lisey sich aus sehr vielen Telefongesprächen in jüngeren Jah ren erinnerte. Kombiniert mit Darlas vorgerecktem Kinn und Darlas ganzer Haltung verriet dieser Ton, dass sie glaubte, Amanda würde nur simulieren. Türkt wie ein Zugbremser, hätte Dandy gesagt – nur eine seiner rund hundert fröhlichen, bunten, unsinnigen Redewendungen. Aber (überlegte Lisey sich) war das nicht fast immer Darlas Einschätzung, wenn man nicht genau das tat, was Darla wollte? Dass man türkte wie ein Zugbremser?
    »Ich möchte, dass du diese Eier isst, Amanda – auf der Stelle!«
    Lisey öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte sich die Sache dann aber doch anders. Sie würden ihr Ziel rascher erreichen, wenn Darla selbst sah, wie es um Amanda stand. Und wohin wollten sie? Vermutlich nach Greenlawn. In die Kur- und Rehaklinik Greenlawn in Auburn. In die Klinik, für die Scott und sie sich nach Amandas vorletztem »Aderlass« im Frühjahr 2001 kurz interessiert hatten. Nun sollte sich Gott sei Dank herausstellen, dass Scotts damalige Verhandlungen mit Greenlawn intensiver geworden waren, als seine Frau geahnt hatte.
    Darla stopfte Amanda einen Löffel Rührei in den Mund und wandte sich mit beginnendem Triumphgrinsen Lisey zu. »Da! Ich glaube, sie braucht nur eine feste H…«
    In diesem Augenblick erschien Amandas Zungenspitze zwi schen ihren schlaffen Lippen und schob wieder das kanarien gelbe Rührei vor sich her … und plop . Vorn auf ihr Nacht hemd, das von der letzten Säuberung mit einem Schwamm noch feucht war.
    »Was wolltest du sagen?«, fragte Lisey mild.
    Darla betrachtete ihre ältere Schwester lange, sehr lange. Als sie wieder zu Lisey hinübersah, war die durch ihr vorge recktes Kinn bekundete Entschlossenheit verschwunden. Statt dessen wirkte sie wie das, was sie war: eine Frau mittleren Alters, die wegen eines Notfalls in der Familie viel zu früh aus dem Bett geholt worden war. Sie weinte nicht, aber sie war kurz davor; ihre Augen – in dem leuchtenden Blau, das alle Debusher-Girls gemeinsam hatten – schwammen in Tränen. »Diesmal ist es nicht wie früher, stimmt's?«
    »Nein.«
    »Ist letzte Nacht

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