Love
irgendwas passiert?«
»Nein«, antwortete Lisey, ohne zu zögern.
»Keine Heul- oder Wutanfälle?«
»Nein.«
»O Schatz, was sollen wir bloß tun?«
Darauf wusste Lisey eine praktische Antwort, was keine Überraschung war; Darla mochte dies anders sehen, aber Lisey und Jodi waren immer die praktisch Veranlagten gewe sen. »Wir legen sie wieder hin, warten bis neun Uhr, dann rufen wir an«, sagte sie. »In Greenlawn. Und hoffen, dass sie inzwischen nicht noch mal ins Bett macht.«
4 Um sich die Wartezeit zu verkürzen, tranken sie Kaf fee und spielten Cribbage, das alle Debusher-Girls von Dandy gelernt hatten, lange bevor sie erstmals mit dem großen gelben Schulbus nach Lisbon Falls gefahren waren. Nach jedem dritten oder vierten Geben lief eine von ihnen nach oben, um nach Amanda zu sehen. Ihr Zustand war immer gleich: Sie lag auf dem Rücken und starrte an die Zimmer decke. Das erste Spiel gewann Darla haushoch gegen ihre Schwester; im zweiten setzte sie sich mit drei abgelegten Karten ab und ließ Lisey mit den Füßen im Schlammloch zurück. Dass ihr das gute Laune machte, obwohl Manda unansprechbar im Obergeschoss lag, gab Lisey Stoff zum Nachdenken … aber laut wollte sie sich nicht darüber äußern. Dies würde ein langer Tag werden, und wenn Darla ihn mit einem Lächeln auf dem Gesicht begann, umso besser. Lisey lehnte ein drittes Spiel ab, und die beiden sahen sich im letzten Teil der Today -Show irgendeinen Countrysänger an. Lisey konnte fast hören, wie Scott sagte: Der wird Ole Hank nicht aus dem Geschäft verdrängen. Damit meinte er natür lich Hank Williams. Was Countrymusik betraf, hatte für Scott Ole Hank an erster Stelle gestanden … und erst weit dahinter kam der ganze Rest.
Um fünf nach neun setzte Lisey sich ans Telefon und ließ sich von der Auskunft die Telefonnummer von Greenlawn geben. Dabei sah sie mit einem schwachen, nervösen Lächeln zu Darla hinüber. »Drück mir die Daumen, Darl.«
»Oh, das tue ich. Glaub mir, das tue ich.«
Lisey wählte. Das Telefon am anderen Ende klingelte genau ein Mal. »Hallo«, sagte eine angenehme Frauenstimme, »hier ist die Kur- und Rehaklinik Greenlawn, ein Haus der Fedders Health Corporation of America.«
»Hallo, mein Name ist …« So weit kam Lisey, bevor die angenehme Frauenstimme begann, die Nebenstellen aufzu zählen, die man erreichen konnte … das heißt, wenn man ein Telefon mit Mehrfrequenzwahl besaß. Dies war eine Ton bandansage. Lisey war geboolt worden.
Ja schon, aber diese Ansagen sind so echt geworden, dach te sie, während sie die Taste 5 drückte, um Informationen über die Aufnahme von Patienten zu erhalten.
»Bitte bleiben Sie am Apparat, während Ihr Anruf bearbei tet wird«, forderte die angenehme Frauenstimme sie auf, bevor sie durch das Prozac Orchestra ersetzt wurde, das etwas spielte, was entfernt nach Paul Simons »Homeward Bound« klang.
Lisey blickte auf, weil sie Darla mitteilen wollte, dass sie in der Warteschleife hing, aber Darla war hinaufgegangen, um nach Amanda zu sehen.
Bockmist, dachte sie. Sie konnte nur die Spannung ni… »Hallo, hier ist Cassandra, was kann ich für Sie tun?« Dieser Name ist ein schlechtes Omen, Babylove, meinte
Scott, der sich in ihrem Kopf eingenistet hatte.
»Mein Name ist Lisa Landon … Mrs. Scott Landon.«
In all ihren Ehejahren hatte sie sich wahrscheinlich kein halbes Dutzend Mal als Mrs. Scott Landon vorgestellt – und in den fünfundzwanzig Monaten ihrer Witwenschaft kein einziges Mal. Weshalb sie es jetzt getan hatte, war leicht zu verstehen. Sie hatte die von Scott als solche bezeichnete »Berühmtheitskarte« ausgespielt, die er selbst nur spärlich verwendet hatte. Teils, hatte er ihr gesagt, weil er sich da bei als eingebildetes Arschloch vorkam, und teils, weil er fürchtete, sie würde nicht stechen – wenn er einem Oberkell ner etwas wie Wissen Sie nicht, wer ich bin? ins Ohr flüster te, könnte der Ober seinerseits flüstern: No, Monsieur, wer süm diable siehnd Sie?
Während Lisey die früheren Episoden von Selbstverstüm melung und Semi-Katatonie, die ihre Schwester durchge macht hatte, und dem gewaltigen Schritt nach vorn der ver gangenen Stunden schilderte, hörte sie das dezente Klappern einer Computertastatur. Als sie dann eine Pause machte, sag te Cassandra: »Ich verstehe Ihre Sorge, Mrs. Landon, aber Greenlawn ist im Moment ziemlich überfüllt.«
Liseys Mut sank. Sie stellte sich Amanda augenblicklich in einem schrankgroßen Kämmerchen
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