Love
hat, war dies auch Scotts Stimme. Lisey hatte über zwanzig Jahre lang mit ihm zusammengelebt. Sie hätte Scotts Stimme überall wiedererkannt.
Dies ist ein Traum, sagte sie sich. Deshalb weiß ich nicht mal, ob er damals oder jetzt spielt. Sehe ich mich um, wird in einer Ecke des Raums der fliegende Teppich mit dem Aufdruck PILLSBURY'S BEST schweben.
Aber sie konnte sich nicht umsehen. Lange Zeit konnte sie sich überhaupt nicht bewegen. Was sie schließlich zum Reden zwingt, ist der rasch heraufdämmernde Tag. Die Nacht ist bei nahe vorüber. Falls Scott zurückgekehrt war – wenn sie wirk lich wach war und dies nicht nur träumte –, musste es einen Grund dafür geben. Und er würde es nicht tun, um ihr zu schaden. Niemals, um ihr zu schaden. Zumindest nicht … absichtlich. Aber sie stellt fest, dass sie weder seinen noch Amandas Namen aussprechen kann. Keiner klang richtig. Beide klangen falsch. Sie sah sich Amanda an der Schulter packen und zu sich umdrehen. Wessen Gesicht würde sie un ter Mandas ergrauenden Ponyfransen sehen? Wenn es Scotts war? Himmel, wenn er es war?
Der Tag dämmert herauf. Und sie wusste plötzlich mit Be stimmtheit, wenn sie die Sonne aufgehen ließe, ohne gespro chen zu haben, wird die Tür zwischen Vergangenheit und Gegenwart zufallen und ihr jegliche Chance rauben, Antwor ten zu erhalten.
Kümmere dich also nicht um Namen. Kümmere dich nicht darum, wer zum Teufel in dem Nachthemd steckt.
»Warum hat Amanda Bool gesagt?«, fragte sie. In dem stil len Schlafzimmer – noch halb dunkel, aber heller, immer hel ler werdend – klingt ihre Stimme heiser, staubig.
»Ich habe dir ein Bool hinterlassen«, bemerkt die zweite Per son im Bett – diese Person, an deren Gesäß Liseys Bauch liegt.
O Gott o Gott o Gott dies ist bösmüllig wenn es jemals Bös mülligkeit gegeben hat, dies ist …
Und dann: Reiß dich zusammen. Verdammt, schnall's so fort um. Auf der Stelle.
»Ist es …« Ihre Stimme klang trockener und staubiger als je zuvor. Und nun schien es im Zimmer allzu rasch hell zu wer den. Die Sonne wird jeden Augenblick über den östlichen Horizont aufsteigen. »Ist es ein Blut-Bool?«
»Dir steht ein Blut-Bool bevor«, erklärt die Stimme ihr mit leichtem Bedauern. Und oh, sie klingt so sehr wie Scotts Stim me. Trotzdem klang sie jetzt auch mehr wie Amandas Stim me, und das ängstigte Lisey mehr denn je.
Dann wurde die Stimme lebhafter. »Das Bool, bei dem du bist, ist ein gutes Bool, Lisey. Es geht über den Purpur hinaus. Die drei ersten Stationen hast du bereits gefunden. Noch ein paar mehr, dann kriegst du deine Belohnung.«
»Woraus besteht meine Belohnung?«, fragt sie.
»Aus einem Getränk.« Die Antwort kam prompt.
»Eine Coke? Eine RC ?«
»Sei still. Wir wollen die Stockrosen betrachten.«
Die Stimme sprach mit merkwürdiger und unendlicher Sehnsucht, und was ist daran vertraut? Wieso scheint sich hinter dem Namen etwas anderes zu verbergen als nur Rosen sträucher? Ist dies ein weiteres Ding, das hinter dem purpur roten Vorhang verborgen ist, der ihr manchmal den Zugang zu ihren eigenen Erinnerungen verwehrt? Keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, gar danach zu fragen, weil ein roter Lichtfinger schräg durchs Fenster hereingriff. Lisey spürte die Zeit wieder ins Lot kommen, und so verängstigt sie auch gewesen war, empfand sie heftiges Bedauern wie einen Stich ins Herz.
»Wann kommt das Blut-Bool?«, fragt sie. »Sag's mir.«
Keine Antwort. Sie wusste, dass sie keine Antwort erhalten würde, trotzdem wuchs ihre Frustration und füllte den Raum aus, den ihr Entsetzen und ihre Verwirrung eingenommen hatten, bevor die Sonne über dem Horizont aufgetaucht war und ihre alles vertreibenden Strahlen geworfen hatte.
»Wann kommt es? Verdammt noch mal, wann?« Sie kreisch te jetzt und rüttelte die Schulter in dem weißen Nachthemd so heftig, dass der Haarschopf flog … und bekam noch immer keine Antwort. Liseys Zorn schlug um. »Erlaub dir keinen Spaß mit mir, Scott, wann?«
Diesmal riss sie an der Schulter im Nachthemd, statt sie nur zu rütteln, und die andere Person im Bett rollte schlaff auf den Rücken. Sie war natürlich Amanda. Ihre Augen waren offen, und sie atmete noch, hatte sogar etwas blasse Farbe auf den Wangen, aber Lisey erkannte dieses blicklose Starren von frü heren Gelegenheiten, bei denen Big Sissa Manda-Bunny sich aus der Realität ausgeklinkt hatte. Und vielleicht hatte nicht nur sie das getan. Lisey hatte keine Ahnung mehr, ob Scott
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