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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ein paar graue Haare. Sie erinnerte sich, wie sie ihm einmal erklärt hatte, dass das Wort Greifer ein Fisch sei, den er längst verendet von der Oberfläche seines kostbaren Pools weggefischt habe. Darüber hatte er lachen müssen.
    Lisey bückte sich und spähte in den Briefkasten. Die Katze war ein gutes Stück herausgezogen und jetzt deutlich zu sehen. Sie war undefinierbar rauchfarben, ganz sicher eine der Galloway-Stallkatzen. Sie klapperte zweimal mit der Zan ge, als brächte das Glück, und wollte sie eben wieder in den Briefkasten stecken, als von Osten her ein Wagen angefahren kam. Lisey drehte sich um, während ihr Magen eine Etage tie fer sank. Sie vermutete nicht nur, dass dies Zack war, der mit seinem sportlichen kleinen PT Cruiser zurückkam; sie wusste es. Er würde neben ihr halten, sich aus dem Fenster lehnen und fragen, ob er ihr heffen kann. Er würde heffen sagen. Mis sus, würde er sagen, soll ich Ihnen dabei 'n bisschen heffen? Doch stattdessen kam dort irgendein Geländewagen mit einer Frau am Steuer.
    Du wirst paranoid, kleine Lisey.
    Schon möglich. Und unter den gegenwärtigen Umständen hatte sie jedes Recht dazu.
    Los, weiter! Du bist hergekommen, um sie rauszuholen, also mach schon.
    Sie packte wieder mit der Zange zu, wobei sie diesmal kontrollierte, was sie tat, und als die Greifer sich um eine der langsam steif werdenden Pfoten der armen Stallkatze schlossen, musste Lisey daran denken, wie Dick Powell in einem alten Schwarz-Weiß-Film einen Truthahn tranchiert und Wer möchte ein Bein? gefragt hatte. Und ja, sie konnte das Blut der Katze riechen. Sie würgte ein bisschen, senkte den Kopf und spuckte zwischen ihre Turnschuhe aus.
    Los, mach schon!
    Lisey schloss die Greifer (gar kein so schlechtes Wort, wenn man sich mal mit ihm angefreundet hatte) und zog die Katze ganz heraus. Mit der anderen Hand fummelte sie den grünen Müllsack auf und ließ die Katze dann kopfüber hineinplump sen. Sie drehte den Sack oben zusammen und verknotete das Ende, weil die dumme kleine Lisey vergessen hatte, einen der mit gelbem Kunststoff ummantelten Verschlussdrähte mitzu bringen. Dann machte sie sich entschlossen daran, das Blut und die Katzenhaare aus ihrem Briefkasten zu wischen.
    3 Als Lisey mit dem Briefkasten fertig war, trottete sie im langen Abendlicht mit ihren Eimern die Einfahrt entlang zurück. Zum Frühstück hatte es Kaffee und Hafergrütze, mit tags kaum mehr als einen Löffel Thunfisch mit Mayonnaise auf einem Salatblatt gegeben, sodass sie, tote Katze hin oder her, ziemlich ausgehungert war. Sie beschloss, den Anruf bei Woodbody aufzuschieben, bis sie den größten Hunger gestillt hatte. Auf die Idee, die Dienststelle des Sheriffs anzurufen – einfach bei irgendjemandem in blauer Uniform –, war sie noch nicht wieder gekommen.
    Sie scheuerte ihre Hände drei Minuten lang unter sehr heißem Wasser und sah anschließend genau nach, ob auch die letzten Blutspuren unter ihren Fingernägeln entfernt waren. Dann fand sie die Tupperdose mit der übrig gebliebenen Cheeseburger-Pastete, kippte den Inhalt auf einen Teller und stellte ihn in die Mikrowelle. Während sie auf das Klingelzeichen wartete, angelte sie sich eine Pepsi aus dem Kühlschrank. Sie erinnerte sich daran, dass sie gedacht hatte, sie würde das Hamburger-Helper-Zeug niemals aufessen, nachdem ihr erster Heißhunger gestillt war. Das konnte man ganz unten auf die lange Liste von Dingen setzen, bei denen die kleine Lisey sich in ihrem bisherigen Leben geirrt hatte, aber was machte das schon? Kein Thema, wie Cantata als Teenager oft gesagt hatte.
    »Ich hab nie behauptet, das Superhirn zu sein«, erklärte Lisey der leeren Küche, und die Mikrowelle piepte, als wollte sie das bestätigen.
    Die wieder aufgewärmte Pampe war fast zu heiß, aber Lisey schaufelte sie trotzdem in sich hinein und kühlte ihren Mund zwischendurch mit der prickelnden kalten Pepsi. Beim letzten Bissen musste sie plötzlich an das leise Scharren des Katzen fells an den Blechwänden des Briefkastens denken und an das unheimliche Gefühl, als der Tierkadaver sich endlich wider strebend in Bewegung gesetzt hatte. Er muss sie dort wirk lich reingestopft haben, dachte sie und dachte wieder an Dick Powell, einen Dick Powell in Schwarz-Weiß, der diesmal sag te: Und etwas Füllung dazu!
    Dann sprang sie auf, rannte so schnell zum Ausguss, dass sie ihren Stuhl umwarf, und war der festen Überzeugung, dass ihr alles hochkommen würde, was sie gerade gegessen

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