Love
öffnete das Handschuhfach, aus dem ihre ungeöff nete Packung Zigaretten herausfiel. Sie wühlte darin herum, bis sie die winzige Stablampe fand, die noch aus dem Hand schuhfach ihres vorigen Wagens stammte: eines Lexus, den sie vier Jahre lang gefahren hatte. Das war ein guter Wagen gewesen, dieser Lexus. Sie hatte ihn nur in Zahlung gegeben, weil sie ihn mit Scott in Verbindung brachte, der ihn Liseys Sexy Lexus genannt hatte. Kaum zu glauben, wie solche Kleinigkeiten wehtun konnten, wenn ein so nahestehender Mensch starb – das war wieder die Geschichte von der Prin zessin auf der verschmickten Erbse. Jetzt konnte sie nur hof fen, dass die Batterie noch nicht ganz leer war.
Die Stablampe brannte. Ihr Strahl schoss hell und zuverlässig hervor, und ohne auch nur im Geringsten zu flackern. Lisey trat einen Schritt zur Seite, holte tief Luft und leuchtete in den Briefkasten. Sie nahm undeutlich wahr, dass sie die Lippen so fest zusammenpresste, dass es schmerzte. Anfangs sah sie nur dunkle Umrisse und einen grünlichen Schimmer, als würde das Licht von Marmor zurückgeworfen. Und Nässe auf dem Wellblechboden des Briefkastens. Vermutlich stammte das Blut an ihren Fingern von dort. Sie trat etwas weiter nach links, bis sie seitlich an der Fahrertür lehnte, und schob die Stablampe zögernd tiefer in den Briefkasten hinein. Die dunkle Masse bekam ein Fell und Ohren und eine Nase, die bei Tageslicht vermutlich rosa gewesen wäre. Ganz unverkennbar waren die Augen; obgleich sie im Tod trüb waren, war ihre Form charakteristisch. In ihrem Briefkasten lag eine tote Katze.
Lisey begann zu lachen. Es war kein ganz normales Lachen, aber es war auch nicht völlig hysterisch; sie war durchaus belustigt. Sie brauchte keinen Scott, um zu der Einschätzung zu gelangen, dass eine umgebrachte Katze im Briefkasten doch ein bisschen sehr sehr an Eine verhängnisvolle Affäre erinnerte. Das war kein schwedischer Kultfilm mit Untertiteln gewesen, und sie hatte ihn zweimal gesehen. Was die Sache komisch machte, war die Tatsache, dass Lisey keine Katze hatte.
Sie ließ ihr Lachen ausklingen, dann zündete sie sich eine Salem Light an und ließ den BMW in die Einfahrt rollen.
VI LISEY UND DER PROFESSOR
(Das haben Sie nun davon)
1 Lisey hatte keine Angst mehr, und ihr vorübergehen der Heiterkeitsanfall war von unbändiger Wut abgelöst wor den. Sie ließ ihren Wagen vor dem abgesperrten Scheunentor stehen und stakste ins Haus, wobei sie sich fragte, ob an der Hintertür oder der Haustür wohl eine Mitteilung ihres neuen Freundes hing. Dass es eine Nachricht geben würde, bezwei felte sie keinen Augenblick lang, und damit behielt sie recht. Die Mitteilung steckte an der Küchentür: in einem länglichen weißen Umschlag, der zwischen Fliegengittertür und Tür rahmen eingeklemmt war. Mit der Zigarette zwischen den Schneidezähnen riss Lisey den Umschlag auf und entfaltete das einzelne Blatt Papier. Der Text war mit der Maschine ge schrieben.
Mrs: Tut mir leid, dass ich das tun musste, weil ich tiere liebe, aber bessr ihre Katze als sie. Ich will Ihnen nichs tun. Ehrlich nicht, aber sie müssen 412-298-8188 anrufen und »Dem Mann« sagen, dass sie alle doese Papiere über Ihn, von denen wir geredet haben, der Universitätsbibliotek schenken. In dieser Sache soll kein Gras unter unseren Füßen wachsen Mrs, also rufen sie ihn bis heute am 8 Uhr abends an und er setzt sich mit mir in
Verbindung. Wir wollen diese Sache zum Ende bringn
ohne dass jemand zu schaden kommt als Ihre arme
Katze, die mir so LEIDTUT .
Ihr Freind
Zack
PS. Ich bin Ihnen nich böse weil sie gesagt haben,
ich soll mich ins Knie »f«. Ich weiß, sie warn aufgeregt.
Z
Lisey betrachtete das Z am Ende von »Zack McCools« Mitteilung und musste an Zorro denken, wie er mit wehendem Umhang durch die Nacht galoppierte. Ihre Augen tränten. Zuerst dachte sie, sie würde weinen, merkte dann aber, dass das vom Rauch kam. Die Zigarette zwischen ihren Zähnen war bis zum Filter heruntergebrannt. Sie spuckte sie auf die Klinkersteine, mit denen der Weg gepflastert war, und zertrat sie grimmig unter ihrem Absatz. Sie sah zu dem hohen Bretterzaun auf, der den Garten von allen Seiten umgab – allerdings nur aus Symmetriegründen, denn ihre einzigen Nachbarn wohnten auf der Südseite, links von Lisey –, während sie mit »Zack McCools« aufreizender, schlecht getippter Mitteilung – sei nem verschmickten Ultimatum – in der Hand vor dem Hin tereingang zur Küche
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