Loved by an Angel
auf die Truhe. »Danke, dass ihr vorbeigeschaut habt«, sagte er.
»Will, du hast mir keine Gelegenheit gegeben, dir zu sagen, was ich in deinen Bildern gesehen habe. Mir fielen erst nicht die richtigen Worte ein -«
»Ich war nicht auf Komplimente aus, Ivy.«
»Ist mir egal, ob du darauf aus warst oder nicht«, erwiderte sie und ließ sich auf den Stuhl ihm gegenüber fallen. »Ich muss dir was sagen.«
»Gut.« Sein Mund verzog sich zu einem leichten Grinsen. »Schieß los.«
»Es geht um das Bild Zu früh.«
Will nahm seinen Hut ab. Es wäre ihr lieber gewesen, er hätte ihn aufbehalten. Irgendwie - zunehmend mehr, so kam es ihr vor - fiel es ihr schwer zu sprechen, wenn sie ihm in die Augen sah. Eigentlich waren es doch bloß dunkelbraune Augen, trotzdem hatte sie jedes Mal das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen, wenn sie hineinsah.
Die Augen sind das Fenster zur Seele, hatte sie einmal gelesen. Und seine standen weit offen.
Sie konzentrierte sich auf ihre Hände. »Manchmal, wenn einen etwas berührt, ist es schwer, die richtigen Worte zu finden. Man kann etwas wie >schön<, >toll<, >umwerfend< sagen, aber die Worte beschreiben nicht richtig, was man fühlt, vor allem: Wenn man das alles wirklich empfindet, kann einem das Bild - kann das Bild auch wehtun. Und so war es bei deinem Bild.« Sie spreizte die Finger. »Das ist alles, was ich sagen wollte.«
»Danke«, erwiderte Will.
In diesem Moment sah sie ihn an, was ein Fehler war.
»Ivy...«
Sie wollte wegsehen, schaffte es aber nicht.
»... wie geht es dir?«
»Danke, mir geht’s gut. Wirklich, alles bestens.« Warum musste sie das ständig wiederholen? Und warum hatte sie das Gefühl, dass Will ihre Lüge durchschaute?
»Ich muss auch was sagen«, erklärte er ihr. »Pass auf dich auf.«
Sie konnte spüren, dass er auf ihre Wange starrte, die bei dem Überfall aufgeschürft worden war. Sie war noch immer leicht verfärbt, auch wenn sie sich Mühe gegeben hatte, die Flecken zu überschminken.
»Bitte, pass auf dich auf.«
»Warum sollte ich das nicht tun?«, fuhr sie ihn an.
»Manchmal denkt man nicht dran.«
Ivy hätte ihm gern gesagt: Du hast keine Ahnung, wovon du redest, du hast nie jemanden verloren, den du geliebt hast.
Doch dann erinnerte sie sich an Gregorys Worte, dass
Will ziemlich viel durchgemacht hatte. Vielleicht verstand er es doch.
»Wer ist die Frau in deinem Bild?«, fragte Ivy. »Jemand, den du kanntest?«
»Meine Mutter. Mein Vater schaut sich das Bild immer noch nicht an.« Er winkte ab und beugte sich vor. »Sei vorsichtig, Ivy. Vergiss nicht, dass es Menschen gibt, die das Gefühl hätten, alles zu verlieren, wenn sie dich verlieren.«
Ivy wich seinem Blick aus.
Er berührte ihr Gesicht. Instinktiv zuckte sie zurück, als er über die abgeschürfte Gesichtshälfte fuhr. Aber er tat ihr nicht weh und er ließ sie auch nicht los, sondern umfasste mit einer Hand ihren Hinterkopf. Sie konnte sich nicht befreien.
Vielleicht wollte sie sich nicht befreien.
»Sei vorsichtig, Ivy. Sei vorsichtig!« In seinem Blick lag eine seltsame Heftigkeit. »Ich sag dir - sei vorsichtig!«
Ivy sah ihn verständnislos an. Dann riss sie sich von Will los und ging davon.
9
Tristan streckte sich erschöpft im Gras aus. Immer mehr Festivalbesucher drängten in den Park am Ende der Main Street. Ihre Picknickdecken leuchteten wie farbige Flöße auf einem grünen Meer. Kinder tollten auf dem Rasen herum und schubsten sich gegenseitig. Hunde zerrten an ihren Leinen und rieben die Nasen aneinander. Zwei Jugendliche küssten sich. Ein älteres Paar setzte seine Sonnenbrillen auf und beobachtete sie, die Frau lächelte.
Lacey kehrte von ihrer Erkundungstour auf der Parkbühne zurück, die man für die Vorstellung um fünf aufgebaut hatte. Sie ließ sich neben Tristan fallen. »Das war echt dämlich«, schimpfte sie.
So etwas hatte er erwartet.
»Was denn?«, fragte er. Immerhin war es ein langer Nachmittag gewesen und alles Mögliche war passiert.
»Der Versuch, in Gregorys Kopf zu schlüpfen.« Sie schnaubte. »Du kannst wirklich von Glück sagen, dass er dich nicht bis Manhattan geschossen hat. Oder nach L. A.!«
»Was hätte ich sonst tun sollen, Lacey! Ich muss wissen, welches Spiel er mit Ivy und Suzanne spielt.«
»Und um das herauszufinden, hast du einen Ausflug in seinen Kopf gemacht?«, fragte sie ungläubig. »Du hättest mich fragen sollen. Er spielt das Spiel, das viele Typen mit Mädchen
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