Lovesong
bleibt abwechselnd im selben Hotel wie ich und dann wieder im selben Hotel wie die anderen, so wie dieses Mal.
»Am Flughafen. Treffen wir uns in der Abfluglounge«, erkläre ich.
»Na gut. Dann bestell ich dir für vier einen Wagen. Und bis dahin ruhst du dich aus.« Er schüttelt mir halb die Hand, halb umarmt er mich, dann verschwindet er im Taxi und düst ab zu seinem nächsten Geschäftstermin. Vielleicht um die Wogen wieder zu glätten, die ich heute aufgepeitscht habe.
Ich biege um die Ecke und gehe durch den Lieferanteneingang hoch in mein Hotelzimmer. Dort dusche ich und überlege mir, ob ich mich noch mal aufs Ohr hauen soll. Allerdings habe ich in letzter Zeit sogar dann Probleme mit dem Einschlafen, wenn ich mich an einem Medizinschränkchen voller Psychopharmaka bediene. Von den Fenstern des siebzehnten Stocks aus sehe ich, wie die Nachmittagssonne die Stadt in ein warmes Licht taucht, sodass New York schon fast gemütlich wirkt, während die Hotelsuite für mich einfach nur überheizt und einengend ist. Ich ziehe mir eine frische schwarze Hose an und mein schwarzes Glücks-T-Shirt. Eigentlich hätte ich mir das T-Shirt gern für den Tourstart morgen aufgehoben, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich jetzt schon ein bisschen Glück gebrauchen kann. Also muss es eben ausnahmsweise eine Doppelschicht einlegen.
Ich schalte mein iPhone ein. Neunundfünfzig neue E-Mails und siebzehn neue Nachrichten warten auf der Mailbox, darunter einige vom zweifellos total wütenden Pressesprecher des Labels und ein paar von Bryn, die sich erkundigt, wie es im Studio war und wie das Interview lief. Ich könnte sie zurückrufen, aber was soll das bringen? Wenn ich ihr von Vanessa LeGrande erzähle, macht sie sich bestimmt Sorgen, ich könnte meine »öffentliche Maske« vor einer Journalistin fallen gelassen haben. Sie versucht ständig, mir diese schlechte Gewohnheit auszutreiben. Jedes Mal, wenn ich mich vor der Presse bloßstelle, erklärt sie mir, dass ich damit nur ihre Gier nach mehr Information schüre. »Zeig ihnen ein langweiliges Bild von dir in der Öffentlichkeit, Adam, dann hören sie irgendwann automatisch auf, so viel über dich zu schreiben«, erklärt sie mir wieder und wieder. Das Problem ist nur, dass Bryn sich vermutlich auch vergessen würde, wenn sie wüsste, welche Frage mich in diesem Fall die Contenance verlieren ließ.
Ich denke über das nach, was Aldous gesagt hat von wegen, ich solle mir den Kopf freimachen, stelle das Telefon aus und werfe es achtlos auf den Nachttisch. Dann schnappe ich mir meine Mütze, meine Sonnenbrille und die Brieftasche, und schon bin ich zur Tür raus. Ich biege in die Columbus ein und mache mich auf den Weg in den Central Park. Ein Feuerwehrwagen rast mit heulenden Sirenen an mir vorüber. Scratch your head or you’ll be dead. Ich kann mich nicht mal mehr erinnern, wo ich diesen Kinderreim aufgeschnappt habe oder woher ich weiß, dass man sich am Kopf kratzt, wenn man eine Sirene hört, weil sonst die nächste Sirene einem selbst gelten wird. Aber ich erinnere mich genau daran, wie ich es das erste Mal tat, und inzwischen mache ich das ganz automatisch. An einem Ort wie Manhattan allerdings, wo ständig irgendwelche Sirenen heulen, kann es einen ganz schön überfordern, wenn man sich da konsequent dran halten will.
Es ist früh am Abend, die sengende Hitze hat sich mittlerweile etwas gelegt. Irgendwie scheint es so, als fühlten sich plötzlich alle sicher genug, das Haus zu verlassen, denn die Straßen sind nun voller Leute: Sie breiten ihre Picknickdecken aus, joggen mit Kinderwagen die Gehwege entlang oder gleiten mit Paddelbooten über den Seerosenteich.
So gern ich es auch sehe, wie jeder macht, wonach ihm der Sinn steht, so fühle ich mich dadurch doch auch wieder daran erinnert, wie sehr mir selbst das fehlt. Ich weiß nicht, wie andere Menschen, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, das meistern. Manchmal stelle ich mir Brad Pitt vor, wie er mit seiner Horde Kinder durch den Central Park zieht und sie einfach so auf der Schaukel spielen lässt, und obwohl er ganz offensichtlich von Paparazzi verfolgt wird, macht er den Eindruck, als erlebe er einen ganz gewöhnlichen Tag mit seiner Familie. Vielleicht aber auch nicht. Solche Bilder können täuschen.
Während ich über all das nachdenke und an glücklichen Menschen vorbeischlendere, die den Sommerabend genießen, fühle ich mich plötzlich wie eine wandelnde Zielscheibe, obwohl ich mir
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