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Lovesong

Titel: Lovesong Kostenlos Bücher Online Lesen
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pfirsich- und pflaumenfarbenen Streifen am Himmel zurücklässt. Der Anblick ist wirklich wunderschön, und für einen kurzen Augenblick zwinge ich mich dazu, diese Schönheit zu genießen.
    Ich schlendere auf der Siebten Straße südwärts, gehe kurz in ein Deli, um mir Zigaretten zu holen, und wandere dann weiter stadteinwärts. Ich werde ins Hotel zurückkehren, den Zimmerservice bestellen, und vielleicht schlafe ich ausnahmsweise sogar mal früh ein. Draußen vor der Carnegie Hall halten Taxis an, um die Leute zu den abendlichen Vorstellungen zu bringen. Eine alte Dame mit Perlen und hochhackigen Schuhen klettert unbeholfen aus einem Taxi, während ihr buckliger Begleiter im Smoking sie am Ellbogen festhält. Ich beobachte, wie die beiden zusammen davonstaksen, und plötzlich spüre ich, wie etwas in meiner Brust sich zusammenkrampft. Sieh dir den Sonnenuntergang an, ermahne ich mich selbst. Schau dir irgendwas Schönes an. Aber als ich den Blick wieder zum Himmel richte, sind die Streifen dunkler geworden und leuchten nun in den Farben eines Blutergusses.
    Eingebildetes, launisches Arschloch. Das waren die Worte, die die Journalistin mir ins Gesicht geschleudert hatte. Sie war zwar eine fiese Schnepfe, aber in dem Punkt hatte sie absolut recht.
    Als ich den Blick wieder auf den Boden richte, sehe ich plötzlich ihre Augen vor mir. Nicht so, wie ich sie früher immer sah – an jeder Ecke, hinter meinen eigenen geschlossenen Augenlidern, an jedem einzelnen verdammten Morgen. Nicht so, wie ich sie mir vorstellte, hinter den Augen jedes Mädchens, mit dem ich schlief. Nein, dieses Mal sind es wirklich ihre Augen. Ein Foto von ihr, ganz in Schwarz gekleidet, das Cello im Arm, als wäre es ein müdes Kind, das seinen Kopf an ihrer Schulter birgt. Ihr Haar hat sie zu dem typischen Knoten hochgesteckt, das übliche Requisit klassischer Musikerinnen. So hat sie ihr Haar bei Liederabenden und bei Kammermusikkonzerten immer getragen, aber um die Frisur nicht so streng wirken zu lassen, ließ sie meist ein paar Strähnen herunterhängen. Das Foto ist völlig ohne Schnörkel. Ich sehe mir das Plakat genauer an. Die Reihe »Junge Musiker« präsentiert Mia Hall.
    Vor ein paar Monaten brach Liz den Bann, der auf allem gelegen hatte, was mit Mia zu tun hatte, und schickte mir per Post einen Ausschnitt aus dem Magazin All About Us . Ich dachte mir, das solltest du sehen, stand auf einem Post-it. In dem Artikel mit dem Titel »Zwanzig unter zwanzig« ging es um aufstrebende »Wunderkinder«. Eine ganze Seite war Mia gewidmet, einschließlich eines Fotos, das ich kaum anzusehen wagte. Nachdem ich ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, schaffte ich es gerade so, den Artikel zu überfliegen. In dem Text bezeichnete man sie als die »unbestrittene Erbin von Yo-Yo Ma«. Trotz allem musste ich darüber lächeln. Mia meinte immer, dass Leute, die keine Ahnung vom Cellospielen haben, über Cellisten nichts anderes zu sagen wüssten, als dass sie der nächste Yo-Yo Ma wären, weil er der einzige Cellist sei, den sie kannten. »Und was ist mit Jacqueline du Pré?«, fragte sie dann jedes Mal. Ihr persönliches Vorbild, eine talentierte und temperamentvolle Cellistin, die im Alter von achtundzwanzig Jahren an Multipler Sklerose erkrankt und etwa fünfzehn Jahre später gestorben war.
    Der Artikel in All About Us bezeichnete Mias Spielweise als »überirdisch« und machte sich dann daran, en détail über den Unfall zu berichten, bei dem vor mehr als drei Jahren ihre Eltern und ihr kleiner Bruder ums Leben gekommen waren. Das hatte mich dann doch überrascht. Mia war eigentlich nicht der Typ Mensch, der über so etwas sprach, nur um Sympathiepunkte zu gewinnen. Doch als ich es endlich schaffte, den Artikel noch einmal gründlich zu lesen, war mir klar geworden, dass das Ganze nur ein frischer Aufguss von alten Zeitungsberichten war, dass jedoch kein Wort von Mia selbst stammte.
    Ein paar Tage lang hatte ich den Artikel immer wieder hervorgeholt, um ihn noch einmal zu überfliegen. Dieses Ding in meiner Brieftasche mit mir herumzutragen fühlte sich fast ein bisschen so an, als hätte ich ein Fläschchen Plutonium bei mir. Und es stand außer Zweifel, dass es tatsächlich zu einer atomaren Explosion kommen würde, falls Bryn den Artikel über Mia bei mir fand. Deshalb warf ich ihn nach ein paar Tagen in den Müll und zwang mich dazu, ihn schnellstmöglich zu vergessen.
    Jetzt versuche ich mich krampfhaft an die Details zu erinnern,

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