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Lovesong

Titel: Lovesong Kostenlos Bücher Online Lesen
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dessen völlig cool geblieben, aber dieses ewige Selbstmitleid kotzte mich inzwischen an. Und dann, kurz nach Neujahr, erkundigte ich mich bei meinem Vater, ob es bei ihm in der Firma nicht irgendwelche Jobs gab.
    »Bist du dir sicher, dass du das wirklich willst?«, hatte er mich daraufhin gefragt. Natürlich war es nicht das, wovon ich immer geträumt hatte. Doch das, was ich mir wünschte, konnte ich nicht haben. Ich hatte lediglich mit der Schulter gezuckt. Mir war nicht entgangen, wie er sich mit meiner Mom über dieses Thema gestritten hatte, wobei sie versucht hatte, ihn dazu zu bringen, mir diese Schnapsidee auszutreiben. »Hast du dir für ihn denn nicht mehr erhofft?«, hörte ich sie ihm im Flüsterton vorwerfen, während ich oben an der Treppe stand und lauschte. »Möchtest du denn nicht, dass er wenigstens zurück an die Schule geht?«
    »Es geht doch hier nicht um das, was ich will«, hatte er erwidert.
    Also hat er in der Personalabteilung nachgefragt und mir ein Vorstellungsgespräch organisiert, und schon eine Woche später fing ich in der Abteilung für Datenerfassung zu arbeiten an. Von morgens halb sieben bis nachmittags um halb vier saß ich nun tagtäglich in einem fensterlosen Raum und tippte Zahlen ein, die keinerlei Bedeutung für mich hatten.
    An meinem ersten Tag im neuen Job stand meine Mom morgens mit mir auf, um ein riesiges Frühstück für mich vorzubereiten, das ich gar nicht schaffte, und der Kaffee, den sie mir gemacht hatte, war nicht annähernd stark genug. Mit einem besorgten Ausdruck im Gesicht stand sie da in ihrem schäbigen rosa Morgenrock. Als ich schließlich aufstand, um zu gehen, blickte sie mir kopfschüttelnd hinterher.
    »Was denn?«, fragte ich.
    »Dass du in dieser Fabrik arbeiten willst«, meinte sie und betrachtete mich mit ernster Miene. » Das überrascht mich nun wirklich ganz und gar nicht. Denn genau das hatte ich von meinem Sohn erwartet.« Ich weiß nicht, ob der bittere Ton in ihrer Stimme mir oder ihr selbst galt.
    Der Job war echt beschissen, aber was soll’s. Wenigstens brauchte man dabei nicht zu denken. Wenn ich heimkam, verschlief ich den Rest des Nachmittags, und wenn ich wieder aufwachte, las ich und döste von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens vor mich hin, wenn es dann wieder hieß: aufstehen und zur Arbeit gehen. Mein Zeitplan lief der Welt der Lebenden zwar absolut zuwider, doch für mich war das in Ordnung.
    Ein paar Wochen zuvor, so um Weihnachten, hatte ich noch einen Funken Hoffnung in mir getragen. Denn an Weihnachten sollte Mia endlich wieder nach Hause kommen. Die Fahrkarte, die sie sich für New York gekauft hatte, beinhaltete eine Rückfahrkarte, und am neunzehnten Dezember sollte sie eigentlich zurückkommen. Obwohl mir klar war, dass es idiotisch war, ging ich davon aus, dass sie zu mir kommen, mir irgendeine Erklärung liefern – oder besser noch, dass sie sich aufrichtig bei mir entschuldigen würde. Ich malte mir aus, dass sie mir täglich eine E-Mail geschrieben hatte, dass aber leider keine einzige davon angekommen war, und dass sie einfach so vor meiner Tür stehen würde, wütend darüber, dass ich auf ihre Mails nie geantwortet hatte, so wie sie früher immer wegen der dämlichsten Dinge sauer auf mich gewesen war, zum Beispiel darüber, wie ich mich ihren Freunden gegenüber verhielt.
    Doch der Dezember kam und ging, eine trostlose Serie grauer Tage, an denen von unten gedämpft Weihnachtslieder an mein Ohr drangen. Ich blieb im Bett liegen.
    Erst im Februar bekam ich Besuch, jemand von einem Ostküstencollege.
    »Adam, Adam, da ist Besuch für dich«, rief meine Mom aufgeregt und klopfte an meine Tür. Es war so um die Abendessenszeit, und ich war total am Boden, weil das für mich schon mitten in der Nacht war. In meiner Benommenheit dachte ich schon, es sei Mia. Ich fuhr hoch, erkannte aber gleich am gequälten Gesichtsausdruck meiner Mutter, dass sie genau wusste, dass sie keine guten Neuigkeiten brachte. »Es ist Kim!«, rief sie betont fröhlich.
    Kim? Von Mias bester Freundin hatte ich seit vergangenem August, als sie auf eine Schule in Boston gewechselt war, nichts mehr gehört. Und plötzlich wurde mir klar, dass sie mich mit ihrem Stillschweigen ebenso verraten hatte wie Mia auch. Als Mia und ich noch ein Paar waren, waren Kim und ich nicht gerade die besten Kumpel gewesen. Zumindest nicht vor dem Unfall. Der allerdings hatte uns hinterher umso mehr zusammengeschweißt. Mir war nie aufgefallen, dass man Mia

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