Lovesong
katastrophalen Tag endgültig hinter mich bringen, ein für alle Mal.
»Du solltest damit aufhören.«
Ihre Stimme dringt mir bis ins Mark. Doch in gewisser Weise beruhigt sie mich auch. Ich sehe auf. Vor mir steht Mia, ihr Gesicht gerötet, aber seltsamerweise lächelt sie. Sie atmet schwer, fast so, als wäre sie gerannt. Vielleicht wird sie ja auch von Fans verfolgt. Ich stelle mir vor, wie dieses alte Ehepaar mit den Perlen und dem Smoking hinter ihr hertattert.
Mir bleibt nicht einmal Zeit, um mich zu schämen, denn Mia ist wieder da, steht vor mir, so als würden wir wie eh und je dieselbe Zeit und denselben Ort teilen, an dem wir uns nur zufällig über den Weg laufen, was zwar immer wieder schön, aber doch nichts Außergewöhnliches ist, keine große Sache. Kurz kommt mir dieses Zitat aus Casablanca in den Sinn, wo Bogart sagt: »Von allen Spelunken dieser Welt muss sie ausgerechnet in meine kommen!« Dann aber fällt mir wieder ein, dass ich in unserem Fall ja in ihre Spelunke gestolpert bin.
Langsam macht Mia die letzten paar Schritte, die uns noch trennen, auf mich zu, so als wäre ich eine scheue Katze, die sie in ihr Haus locken will. Sie beäugt die Zigarette in meiner Hand. »Seit wann rauchst du denn?«, erkundigt sie sich. Und fast scheint es so, als hätten die Jahre, die zwischen uns stehen, nie existiert und als hätte Mia plötzlich vergessen, dass sie gar nicht mehr das Recht hat, sich in meine Angelegenheiten zu mischen.
Auch wenn es in diesem Fall durchaus berechtigt wäre. Vor langer Zeit war ich noch absolut gegen Nikotin gewesen. »Ich weiß. Typisches Klischee, nicht wahr?«, gebe ich zu.
Sie sieht mich an, dann wieder die Zigarette. »Kann ich auch eine haben?«
»Du?« Als Mia ungefähr sechs war, hatte sie ein Kinderbuch über ein Mädchen gelesen, das seinen Dad dazu brachte, das Rauchen aufzugeben, und hatte daraufhin beschlossen, ihre Mom, eine Gelegenheitsraucherin, dazu zu bringen, ebenfalls aufzuhören. Es hatte Mia Monate gekostet, Kat zu bearbeiten, aber letzten Endes hatte sie sich durchsetzen können. Als ich sie kennenlernte, rauchte Kat längst nicht mehr. Mias Dad, Denny, paffte gern an einer Pfeife, aber das schien er in erster Linie in Gesellschaft zu tun. » Du rauchst auch?«, frage ich ungläubig.
»Nein«, erwidert Mia. »Aber ich hab gerade etwas ziemlich Krasses erlebt, und es heißt doch immer, dass Zigaretten die Nerven beruhigen.«
Ein krasses Konzert – ja, manchmal bin ich hinterher ebenfalls ganz angespannt und nervös. »Das Gefühl hab ich nach meinen Konzerten auch manchmal«, sage ich und nicke zustimmend.
Ich schüttle eine Zigarette aus der Packung; ihre Hand zittert noch immer, weshalb ich ihre Kippe nicht mit dem Feuerzeug erwische. Am liebsten würde ich jetzt ihr Handgelenk festhalten, damit sie stillhält. Doch ich lasse das lieber. Stattdessen versuche ich es so lange mit dem Feuerzeug, bis die Flamme in ihren Augen aufleuchtet und die Zigarette endlich Feuer fängt. Sie inhaliert tief und bläst den Rauch wieder aus, dann hustet sie leicht. »Ich rede nicht von dem Konzert, Adam«, sagt sie, ehe sie einen weiteren kräftigen Zug nimmt. »Ich rede von dir. «
Tausend kleine Nadelstiche wandern rasch über meinen Körper. Beruhige dich, ermahne ich mich. Du hast sie nur nervös gemacht, weil du so aus dem Nichts dort aufgetaucht bist. Und trotzdem, ich fühle mich geschmeichelt, dass ich ihr etwas bedeute – auch wenn es sie in erster Linie ängstigt.
Schweigend ziehen wir an unseren Zigaretten. Und dann vernehme ich plötzlich ein Gurgeln. Mia schüttelt verärgert den Kopf und blickt hinunter auf ihren Bauch. »Weißt du noch, wie aufgeregt ich vor Konzerten immer war?«
Früher war Mia vor Auftritten immer viel zu nervös gewesen, um auch nur einen Bissen hinunterzukriegen. Deshalb war sie hinterher umso hungriger. Damals gingen wir dann zu unserem Lieblingsmexikaner, oder wir hielten an einem Diner an der Autobahn, wo wir uns Fritten mit Ketchup und ein Stück Kuchen bestellten, Mias Leibspeise. »Wann hast du denn das letzte Mal was gegessen?«, frage ich.
Mia schielt zu mir und drückt die Zigarette aus, obwohl sie sie nur zur Hälfte geraucht hat. Sie schüttelt den Kopf. »Zankel Hall? Ich hab seit Tagen nichts zu mir genommen. Die ganze Aufführung über hat mir der Magen geknurrt. Ich war mir sicher, dass selbst die Leute auf den oberen Rängen das noch hören konnten.«
»Nö. Man hat nur das Cello gehört.«
»Puh,
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