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Lovesong

Titel: Lovesong Kostenlos Bücher Online Lesen
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völlig ruhig sind, so als würde ein nervtötendes Feedback plötzlich unterbrochen, weil jemand den Verstärker ausgesteckt hat. Ich könnte ewig so verweilen.
    Nur dass das hier ein ganz normaler Händedruck ist, nichts weiter. Und nach ein paar Sekunden schon ziehe ich die Hand wieder zurück. Scheinbar hat sich mein nervöses Zittern zum Teil auf Mia übertragen, denn nun sieht es so aus, als würde ihre Hand beben. Aber beschwören könnte ich das nicht, denn ein reißender Strom ergreift mich in diesem Moment und nimmt mich mit sich fort.
    Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist das Klicken der Tür zu ihrem Umkleideraum, die hinter mir ins Schloss fällt. Wieder einmal werde ich von einer Stromschnelle erfasst und fortgerissen, während Mia am sicheren Ufer zurückbleibt.

5
    Ja, ja, ich weiß, total geschmacklos – genau genommen ziemlich krass –, die Tatsache, dass ich sitzengelassen wurde, mit dem Unfall zu vergleichen, der Mias ganze Familie ausgelöscht hat, aber ich kann nicht anders. Denn für mich fühlte sich die Zeit nach der Trennung durchaus ganz ähnlich an. Während der ersten Woche erwachte ich jeden Tag in einem Nebel aus Zweifeln und Leugnen. Das ist doch nicht wirklich passiert, oder? Ach du Scheiße, doch, es ist wahr. Und dann war ich jedes Mal völlig geknickt. Wie eine Faust traf es mich in die Magengrube. Es dauerte ein paar Wochen, bis ich es endgültig begriffen hatte. Doch anders als nach dem Unfall – als ich für andere da sein, präsent sein, eine Hilfe, eine Stütze sein musste –, war ich nach der Trennung absolut auf mich allein gestellt. Es gab niemanden, für den ich stark sein musste. Also kümmerte ich mich um nichts mehr, und irgendwann war dann alles vorbei.
    Ich zog wieder heim, zurück ins Haus meiner Eltern. Ich packte einfach nur wahllos ein paar Sachen aus meinem Zimmer im House of Rock und haute ab. Ich ließ alles zurück. Die Schule. Die Band. Mein Leben. Es war ein spontaner, stummer Abgang, den ich da machte. Und dann lag ich nur noch zusammengekauert in dem Bett meiner Kindheit. Ich hatte Angst, dass die Leute die Tür eintreten und von mir verlangen könnten, zu erklären, was mit mir los sei. Aber so ist das nun mal mit dem Tod. Wenn er eintritt, dann spricht sich das schnell rum. Die Leute müssen gewusst haben, dass ich mich in eine Leiche verwandelt hatte, denn es kam nicht ein Einziger, um sich den Leichnam anzusehen. Nun ja, mit Ausnahme von Liz, der Unnachgiebigen, die einmal in der Woche vorbeischaute, um eine Mix- CD mit den allerneusten Hits, auf die sie stand, vorbeizubringen, und jedes Mal legte sie die neue CD fröhlich auf den Stapel mit den unberührten CD s, die sie die Wochen davor mitgebracht hatte.
    Meine Eltern schienen verblüfft, als ich plötzlich wieder zu Hause aufkreuzte. Aber wenn ich auftauchte, waren die Leute eigentlich immer verblüfft. Mein Dad hat früher als Holzfäller gearbeitet, und als dieser Industriezweig den Bach runterging, nahm er einen Job am Fließband in einem Elektronikbetrieb an. Meine Mom arbeitete damals in der Universitätskantine. Für beide war es die zweite Ehe gewesen. Der erste Schritt ins Eheleben war für beide gleichermaßen zum Desaster geworden. Sie blieben kinderlos, und die früheren Partner wurden nie wieder auch nur mit einem Wort erwähnt; selbst ich erfuhr davon erst durch einen Onkel und eine Tante, als ich schon zehn war. Meine Eltern hatten mich erst spät bekommen, und offensichtlich kam ich auch eher überraschend. Meine Mom betonte immer wieder gern, dass eigentlich so ziemlich alles überraschend war, was mich betraf – von meiner bloßen Existenz über die Tatsache, dass ich Musiker wurde, bis hin zu meiner Liebe zu Mia, meinem Collegebesuch … Überraschend dann auch, dass meine Band schlagartig so beliebt war, dass ich das College abbrach – und dass ich die Band verließ. Aber sie akzeptierten, dass ich nach Hause zurückkehrte, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Mom brachte mir Tabletts mit Essen und Kaffee aufs Zimmer; fast als wäre ich ein Gefangener.
    Drei Monate lang lag ich in dem Bett meiner Kindheit und wünschte mir, ich läge im Koma wie Mia damals. Das konnte doch alles nicht so schwer sein! Letzten Endes zwang mich die Scham dazu, mich wieder aufzuraffen. Ich war neunzehn Jahre alt, hatte das College abgebrochen, wohnte bei meinen Eltern, hatte keinen Job, tat nichts als faulenzen – ich war ein lebendes Klischee. Meine Eltern waren angesichts all

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