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Lovesong

Titel: Lovesong Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufblickte, sah sie mich voller Mitgefühl an. Sie war kein bisschen sauer auf mich. Und dafür wollte ich sie nur umso mehr erwürgen. »Adam …«, fing sie wieder an.
    »Scher dich bloß raus hier«, knurrte ich. »Ich will dich nie wiedersehen!«
    Das Problem mit Kim war nur, dass sie sich wirklich nichts zweimal sagen ließ. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging.
    In dieser Nacht wanderte ich stundenlang in meinem Zimmer auf und ab, statt zu lesen oder zu schlafen. Und während ich so auf und ab ging und einen ausgetretenen Pfad in dem billigen Teppich meiner Eltern hinterließ, spürte ich, wie ein Fieber sich in mir auszubreiten schien. Es fühlte sich lebendig an und unvermeidlich, so wie ein schlimmer Kater bisweilen unweigerlich eine Kotzorgie zur Folge hat. Ich spürte, wie es sich seinen Weg durch meinen Körper bahnte, um Freilassung bat, bis es schließlich mit aller Gewalt nach draußen drang, sodass ich zunächst die Faust gegen die Wand rammte und sie dann, als das noch nicht die nötigen Schmerzen verursachte, auch noch in die Scheibe des Fensters drosch. Die Glasscherben schlitzten mir die Fingerknöchel auf, was einen befriedigenden Schmerz zur Folge hatte, der auch noch von einem Schwall kalter Luft begleitet wurde, der aus der frostigen Februarnacht ins Zimmer drang. Der Schock schien etwas geweckt zu haben, das tief in mir geschlummert hatte.
    In jener Nacht griff ich nach fast einem Jahr das erste Mal wieder zur Gitarre. Und es war auch die Nacht, in der ich wieder anfing, Songs zu schreiben.
    Innerhalb von nur zwei Wochen brachte ich zehn neue Songs zu Papier. Nach nur einem Monat formierte Shooting Star sich neu und probte die Songs. Nach zwei Monaten hatten wir bei einem Major-Label unterschrieben. Nach vier Monaten nahmen wir Collateral Damage auf, das insgesamt fünfzehn der Songs umfasste, die ich in der einsamen Abgeschiedenheit meines Kinderzimmers verfasst hatte. Und nach einem Jahr hatte Collateral Damage die Billboard-Charts erklommen, und Shooting Star tauchte auf den Covern aller großen Musikmagazine auf.
    Seither kommt mir immer wieder mal der Gedanke, dass ich Kim entweder eine Entschuldigung oder ein Dankeschön schulde. Eigentlich beides. Doch als ich das erste Mal auf diesen Gedanken kam, schien es mir schon zu spät, noch irgendetwas in dieser Richtung zu unternehmen. Und, wenn ich ehrlich bin, weiß ich immer noch nicht, was ich ihr hätte sagen sollen.

6
    Ich ruinier dich, du ruinierst mich,
so lautet der Deal, den wir unterschrieben.
Im Schutzanzug räum ich hinter dir auf,
kauf Gasmasken, Handschuhe, um uns zu beschützen.
Doch nun sitz ich allein in einem leeren Raum
und seh mich der unausweichlichen Verdammnis gegenüber.
    »Messy«, Collateral Damage, Song Nummer 2
    Als ich auf die Straße trete, zittern meine Hände, und mein Inneres macht den Anschein, als wolle es jeden Moment rebellieren. Ich hole meine Pillen raus, doch das Fläschchen ist leer. Verdammt! Offensichtlich hat Aldous mir in dem Taxi die letzte Tablette gegeben. Ob ich wohl noch welche im Hotel habe? Vor dem Flug morgen muss ich mir unbedingt Nachschub besorgen. Ich wühle in der Tasche nach meinem Handy, doch dann fällt mir ein, dass ich es im Hotel gelassen hab – ein hirnrissiger Versuch, ausnahmsweise mal nicht erreichbar zu sein.
    Um mich herum drängen sich die Menschenmassen, und es scheint mir, als würden ihre Blicke ein kleines bisschen zu lange auf mir ruhen. Ich packe das jetzt nicht, wenn mich jemand erkennt. Ich packe im Moment einfach gar nichts. Ich will das nicht. Ich will das alles nicht.
    Ich will nur raus. Und zwar raus aus meinem Leben. In letzter Zeit ertappe ich mich immer häufiger bei diesem Gedanken. Ich wünsche mir ja nicht, tot zu sein. Oder Selbstmord zu begehen. Nichts von dem üblichen Scheiß. Doch ich kann mich nicht gegen den Gedanken wehren, dass, wenn ich erst gar nicht auf die Welt gekommen wäre, ich jetzt nicht mit diesen siebenundsechzig Nächten klarkommen müsste, denn ich wäre jetzt nicht hier und hätte nicht gerade dieses Gespräch mit ihr erdulden müssen. Du bist ja selbst schuld, dass du heute Abend da hingegangen bist, werfe ich mir vor. Du hättest einfach gehen sollen.
    Ich zünde mir eine Zigarette an und hoffe insgeheim, dass sie mir die Kraft gibt, zurück ins Hotel zu gehen, von wo aus ich Aldous anrufen kann, um über alles zu reden, und vielleicht kriege ich anschließend sogar ein paar Stunden Schlaf und kann diesen

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