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Lovesong

Titel: Lovesong Kostenlos Bücher Online Lesen
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Hektisch greift sie sich ein paar Servietten aus dem Ständer, um die Sauerei aufzuwischen, fast so, als handle es sich um Batteriesäure, die sich da über den Tisch ergießt. »Verdammt!«, ruft sie.
    »Ist doch nicht schlimm.«
    »Doch, ist es schon. Ich hab eine riesige Sauerei veranstaltet«, sagt Mia völlig außer Atem.
    »Das Meiste hast du doch aufgewischt. Sag einfach deinem Kumpel Bescheid, der putzt den Rest schon weg.«
    Wie besessen wischt sie weiter, bis der Serviettenspender vollkommen leer ist und sie jedes einzelne Produkt aus Papier in Reichweite aufgebraucht hat. Sie knüllt die gebrauchten Servietten zusammen, und ich befürchte schon, dass sie sich gleich mit bloßen Händen an der Tischplatte zu schaffen machen wird. Verwundert beobachte ich das Ganze, bis Mia endlich die Luft ausgeht. Sie hält inne und lässt den Kopf hängen. Dann sieht sie mich mit diesen Augen direkt an. »Tut mir leid.«
    Mir ist klar, dass es jetzt das Beste wäre, einfach zu sagen: Schon okay, kein Drama, ich habe ja keine Bierspritzer abbekommen. Aber plötzlich bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob es hier nur um das Bier geht. Und wenn es nicht um das Bier geht, wenn Mia sich in Wirklichkeit für was anderes entschuldigt …
    Was tut dir leid, Mia?
    Selbst wenn ich mich dazu durchringen könnte, ihr diese Frage zu stellen – was ich natürlich nicht schaffe –, wäre es sinnlos, denn nun springt sie auf und rennt zur Toilette, um sich das Bier von den Händen zu waschen wie Lady Macbeth das Blut.
    Sie bleibt eine ganze Weile weg, und während ich so auf sie warte, nistet sich dieser von ihr geschürte Zweifel tief in mir ein. Denn in den vergangenen drei Jahren habe ich mir alle möglichen Szenarien ausgemalt. Und meist waren es ganz ähnliche Szenen, in denen sie mir gestand, dass alles ein großer Fehler war, ein riesiges Missverständnis. Und meistens war es in meiner Vorstellung so, dass Mia angekrochen kam und mich anflehte, ihr zu verzeihen. Dass sie sich dafür entschuldigte, meine Liebe mit grausamem Schweigen erwidert zu haben. Dass sie so getan hatte, als wären zwei Jahre – die zwei Jahre, die wir gemeinsam verbracht haben – nicht von Bedeutung.
    Aber irgendwie konnte ich mir nie ausmalen, wie es wäre, wenn sie mich um Verzeihung dafür bittet, dass sie mich verlassen hat. Denn auch wenn sie es vielleicht nicht weiß, hat sie doch nur das getan, was ich ihr selbst nahegelegt hatte.

9
    Es hatte Anzeichen gegeben. Vielleicht sogar mehr, als mir aufgefallen waren, selbst hinterher noch. Aber ich hatte sie allesamt ignoriert. Vielleicht lag es daran, dass ich einfach nicht nach Signalen suchte. Ich war so beschäftigt damit, mich nach dem Feuer umzusehen, das ich soeben durchschritten hatte, dass ich die Hunderte von Metern hohe Klippe direkt vor mir überhaupt nicht wahrnahm.
    Als Mia sich entschieden hatte, im Herbst auf die Juilliard zu gehen, und als im späten Frühjahr langsam klar war, dass sie es tatsächlich schaffen würde, da hatte ich erklärt, dass ich mit ihr nach New York kommen würde. Und sie hatte mir nur diesen Blick zugeworfen, der sagte: Auf gar keinen Fall. »Das hat doch nie zur Debatte gestanden«, sagte sie. »Wie kommst du also jetzt auf die Idee?«
    Weil du früher ein ganzer Mensch warst, jetzt aber ohne Milz leben musst. Weil du keine Eltern mehr hast. Weil dich New York wahrscheinlich bei lebendigem Leibe verschlingen wird, dachte ich. Doch ich sagte nichts.
    »Es ist an der Zeit, dass wir beide zur Normalität zurückkehren in unserem Leben«, fuhr sie fort. Ich war vorher auch nur sporadisch zur Uni gegangen, aber nach dem Unfall überhaupt nicht mehr, weshalb ich keines meiner Fächer abgeschlossen habe. Auch Mia war nicht mehr zur Schule gegangen. Sie hatte zu viel verpasst, weshalb sie jetzt mit einem Tutor zusammenarbeitete, damit sie die Schule abschließen und rechtzeitig auf die Juilliard wechseln konnte. Im Grunde war das alles nur noch reine Formsache, denn die Lehrer hätten sie selbst dann bestehen lassen, wenn sie keine einzige Hausarbeit mehr abgegeben hätte.
    »Und was ist mit der Band?«, hatte sie gefragt. »Ich weiß, dass die alle nur auf dich warten.« Das war auch wieder wahr. Kurz vor dem Unfall hatten wir ein Album aufgenommen, das bei Smiling Simon, einem Indie-Label mit Sitz in Seattle, herauskommen sollte. Zu Beginn des Sommers war das Album erschienen, und obwohl wir es mit keiner Tour promotet hatten, verkaufte sich die CD

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