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Lovesong

Titel: Lovesong Kostenlos Bücher Online Lesen
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zog wieder ins House of Rock. Und ich ging wieder zur Uni. Die Welt hörte nicht auf, sich zu drehen. Die ersten paar Wochen schickten Mia und ich uns ellenlange E-Mails. In den ihren erzählte sie nur von New York, vom Unterricht, der Musik, der Schule. Und in meinen ging es ausschließlich um Treffen mit Plattenlabels. Liz hatte um Thanksgiving herum ein paar Gigs für uns organisiert – und dafür mussten wir noch reichlich proben, da ich ja schon seit Monaten keine Gitarre mehr in der Hand gehabt hatte –, aber Mike bestand darauf, dass wir uns erst mal um das Geschäftliche kümmerten. Wir reisten nach Seattle und nach L. A., um mit Labelleuten zu sprechen. Und ein paar A&R-Typen aus New York wollten extra nach Oregon kommen, um uns zu treffen. Ich erzählte Mia, dass sie uns alle Versprechungen machten und schworen, sie würden unseren Sound noch verfeinern und uns dann ganz groß rausbringen. Jeder Einzelne in der Band gab sich alle Mühe, nicht durchzudrehen, aber irgendwie war es schwer, den Verheißungen des Starruhms zu widerstehen.
    Mia und ich hatten die Abmachung, jeden Abend vor dem Schlafengehen zu telefonieren. Normalerweise war sie abends fix und fertig, weshalb wir unsere Gespräche kurz hielten. Es ging nur darum, die Stimme des anderen zu hören und einander Ich liebe dich zu sagen.
    Eines Abends, drei Wochen nach Semesterbeginn, rief ich ein wenig zu spät an, weil wir mit einem der A&R-Leute im Le Pigeon in Portland zum Abendessen verabredet gewesen waren und es ein bisschen später geworden war. Als ich dann nur ihren Anrufbeantworter dranbekam, dachte ich, sie sei bereits zu Bett gegangen.
    Am nächsten Tag aber kam keine E-Mail von ihr. Deshalb schrieb ich ihr eine SMS : »Sorry, dass ich zu spät dran war. Bist du sauer?«
    »Nein«, kam prompt ihre Antwort. Und ich war erleichtert.
    Aber als ich am selben Abend pünktlich anrief, hatte ich sofort wieder nur ihren Anrufbeantworter dran. Und am folgenden Tag bestand Mias Mail aus zwei knappen Sätzen, irgendwas von wegen die Orchesterproben seien ziemlich anstrengend. Ich fand eine Entschuldigung. Die Zeiten änderten sich. Schließlich war sie an der Juilliard, und ihr Cello hatte keinen Internetzugang. Außerdem war es nun mal so, dass Mia mindestens acht Stunden am Tag Cello übte.
    Dann aber fing ich an, zu unterschiedlichen Zeiten bei ihr anzurufen, zum Beispiel wenn ich früh aufstand, damit ich sie noch vor dem Unterricht erwischte, oder ich rief zur Abendessenszeit an. Immer landeten meine Anrufe auf der Mailbox, und nie rief Mia zurück. Auch auf meine Textnachrichten antwortete sie nicht. Ich erhielt zwar weiter E-Mails von ihr, aber nicht mehr täglich, und obwohl ich in meinen Mails zunehmend besorgte Fragen stellte – »Warum gehst du nicht ans Telefon? Hast du es verloren? Geht es dir gut?« –, tat sie das alles in ihren Antworten immer mit nur wenigen Worten ab. Sie behauptete einfach, zu viel zu tun zu haben.
    Also beschloss ich, ihren Großeltern einen Besuch abzustatten. Immerhin hatte ich ja fast fünf Monate lang so gut wie bei ihnen gewohnt, während Mia sich noch erholen musste, und ich hatte versprochen, sie ganz oft zu besuchen, was ich dann allerdings nie gemacht habe. Ich fand es einfach zu hart, mich in diesem alten, zugigen Haus mit seiner Fotogalerie von Gespenstern aufzuhalten, ohne Mia an meiner Seite zu haben – da war ein Hochzeitsfoto von Denny und Kat und ein Foto von Mia mit zwölf Jahren, auf dem sie Teddy, der auf ihrem Schoß saß, etwas vorlas, einfach herzzerreißend. Doch als der Kontakt zwischen Mia und mir zusehends abbrach, suchte ich nach Antworten.
    Als ich in jenem Herbst das erste Mal zu ihnen ging, hat Mias Großmutter mir ein Ohr abgekaut über den Zustand ihres Gartens, und dann ist sie raus in ihr Gewächshaus und hat mich in der Küche mit ihrem Mann sitzen gelassen. Der hat uns dann erstmal eine Kanne ultrastarken Kaffee gemacht. Wir haben nicht sonderlich viel geredet; außer dem Knistern des Holzofens war kaum ein Geräusch zu hören. Er sah mich nur still und traurig an, sodass ich mich unerklärlicherweise am liebsten vor ihn hingekniet und ihm den Kopf auf den Schoß gelegt hätte.
    Ich habe noch ein paarmal bei ihnen vorbeigeschaut, selbst dann noch, als Mia den Kontakt vollkommen abgebrochen hatte, und es war immer genau dasselbe. Ich fühlte mich echt mies, dass ich so tat, als würde ich sie einfach nur so besuchen wollen, wo ich doch in Wirklichkeit nur scharf darauf

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