Lovesong
sie wohl für dich«, meinte sie. Deutlicher würde sie zum Thema Mia nie werden. »Ich verlange nicht, dass du irgendwas tust, sondern, dass du zur Abwechslung mal nichts tust und dann abwartest, wie du dich in ein paar Monaten fühlst.«
Und dann sahnten wir mit dem Album plötzlich all diese Auszeichnungen ab, und ich lernte Bryn kennen und zog nach L. A. Deshalb hatte ich nicht mehr so viel mit den anderen zu tun, bis ich schließlich ein zweites Mal hineingesogen wurde in den Strudel.
Bryn ist die Einzige, die weiß, wie nah mich diese Tour an den Abgrund gebracht hat und wie sehr ich mich vor der nächsten Tour fürchtete. »Lass endlich los«, lautet ihre Patentlösung. Sie ist der Meinung, dass ich unter Schuldgefühlen leide, und dass ich, weil ich aus einfachen Verhältnissen stamme, mich nicht traue, als Solokünstler aufzutreten. »Sieh mal, ich versteh das ja. Es ist vielleicht schwer für dich zu akzeptieren, dass du den Beifall tatsächlich verdient hast, aber es ist so. Du schreibst diese ganzen Songs und den Großteil der Musik, und dafür lieben die Leute dich«, erklärt sie mir. » Du bist das Talent in der Band! Du siehst nicht nur gut aus. Wenn das hier ein Film wäre, dann wärst du der Star, dem man zwanzig Millionen Dollar zahlt, und die anderen hätten nur Nebenrollen, und trotzdem teilt ihr alles zu gleichen Teilen«, sagt sie. »Du brauchst die anderen nicht. Die machen dir bloß Ärger.«
Aber hier geht es nicht ums Geld. Das war nie ein Thema. Und solo aufzutreten ist für mich auch nicht die optimale Lösung. Dann würde ich nur vom Regen in die Traufe kommen. Und ich müsste immer noch mit dem Touren klarkommen, und allein der Gedanke daran macht mich schon krank.
»Warum rufst du nicht mal Dr. Weisbluth an?«, schlug Bryn vor, als sie aus Toronto anrief, wo sie gerade ihren neusten Film abdrehte. Weisbluth ist der Psychopharmakologe, den das Label mir vor ein paar Monaten vermittelt hat. »Vielleicht kann der dir ja was Stärkeres verschreiben. Und wenn du zurückkommst, müssen wir uns mit Brooke zusammensetzen und uns ernsthaft darüber unterhalten, ob du nicht besser als Solokünstler weitermachst. Aber die Tour musst du noch durchstehen. Sonst ruinierst du dir deinen Ruf.«
Es gibt wichtigere Dinge als den eigenen Ruf, die man ruinieren kann, oder?, dachte ich bei mir. Aber ich sprach es nicht laut aus. Ich rief also bei Weisbluth an, holte mir ein neues Rezept und wappnete mich so für die Tour. Ich schätze, Bryn hatte verstanden – wie ich und jeder andere, der mich kannte, auch –, dass Adam Wilde seinem Ruf des bösen Jungen zum Trotz immer das tat, was man ihm sagte.
12
Ein Klumpen Blei, dort, wo mein Herz schlagen sollt,
Der Doktor hält eine Operation für zu riskant.
Lass es bitte in Ruhe.
Der Körper wie neu, Wunder gescheh’n.
Wenn ich nur durch die Sicherheitskontrolle am Flughafen käm.
»Bullet«, Collateral Damage, Song Nummer 12
Mia verrät mir nicht, wo sie als Nächstes hinwill. Sie sagt, weil es ihre geheime Tour durch New York sei, solle das auch ein Geheimnis bleiben, und dann führt sie mich raus aus dem Port-Authority-Busterminal, tiefer und immer tiefer hinab in ein Gewirr aus unterirdischen Gängen.
Und ich folge ihr. Obwohl ich nicht so sehr auf Geheimnisse stehe, obwohl ich der Ansicht bin, Mia und ich haben schon viel zu viele Geheimnisse voreinander, und obwohl die U-Bahn wirklich der Inbegriff all meiner Ängste ist. Ich habe Angst vor geschlossenen Räumen. Und vor Menschenmengen. Vor allem, wenn da weit und breit kein Fluchtweg ist. Ich weise sie zaghaft darauf hin, doch sie tut dies ab, indem sie mir erklärt, was ich vorhin im Bowlingcenter zu ihr gesagt habe von wegen falsche Umgebung. »Wer würde denn erwarten, Adam Wilde in der U-Bahn zu treffen, und das um drei Uhr morgens? Und auch noch ohne sein Gefolge?« Sie lächelt mich verschmitzt an. »Außerdem ist um die Zeit eh nichts los. Und in meinem New York fahre ich immer mit der U-Bahn.«
Als wir die Haltestelle Times Square erreichen, ist der Bahnsteig dermaßen überfüllt, dass es genauso gut auch fünf Uhr nachmittags an einem Donnerstag hätte sein können. Meine Alarmglocken fangen sofort an zu schrillen. Und erst recht, als wir den zum Bersten vollen Bahnsteig betreten. Ich werde ganz verkrampft und weiche zurück gegen einen der Stützpfeiler. Mia sieht mich an. »Keine gute Idee«, murmele ich, doch der Lärm des herannahenden Zuges erstickt meine besorgten
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