Luc - Fesseln der Vergangenheit
stieß erst den Atem aus, als die Straße im Licht ihrer Scheinwerfer wieder frei vor ihnen lag. »Zurück fahre ich. Egal, wie das wirkt.«
»Das glaube ich kaum. Sieh dich mal um, die anderen sind dicht hinter uns und vor uns liegt gleich deine Klinik.«
Das bedeutete, dass Luc einen ähnlichen Fahrstil an den Tag legte. Und da hielt er ihr Vorträge über Risiken. Männer!
Das Gesicht, das Scott zog, als er sich auf den Fahrersitz des Renaults zwängte, brachte Jasmin zum Lachen. Er tat, als ob er sich einer Zahnoperation ohne Betäubungsmittel unterziehen müsste, dabei lagen nur einige Kilometer in einem schrottreifen Gefährt vor ihm.
Während Scott noch mit der Gangschaltung kämpfte, winkte Jasmin den Wachmännern zu, die erleichtert auf ihre Rückkehr reagiert hatten. »Mit Gefühl. Erst in den dritten und dann ganz sanft in den ersten.«
»Das ist kein Auto, sondern eine Zumutung.«
»Also ich komme mit ihm klar. Wollen wir tauschen?«
Mit durchdrehenden Reifen und schleifender Kupplung brachte Scott den Renault auf die Straße. Jasmin ließ im Kosmetikspiegel an der Sonnenblende den Verkehr hinter ihnen nicht aus den Augen. Scott warf ihr einen schnellen Seitenblick zu. »Wenn sich jemand für uns interessieren würde, hätten wir das schon gehört.«
Damit hatte er recht, aber Jasmin konnte nicht anders. Fast direkt hinter ihnen fuhr der Jeep mit Luc und Azad, mit etwas Abstand folgte ein weiterer Geländewagen, in dem Timothy und Chris saßen. Über Headsets standen sie miteinander in Kontakt, aber bisher schwiegen die Kopfhörer. »Hoffentlich warten Meltons Männer wirklich bei meiner Wohnung auf uns.«
»Wenn nicht, haben wir wenigstens ein paar deiner Sachen und deinen Wagen in Sicherheit gebracht.«
»Stimmt auch wieder. Aber trotzdem … «
»Ich weiß, du verfolgst ein höheres Ziel. Aber auch ein Berg fängt mit einem einzelnen Stein an.«
Sie konnte nicht anders, als über seine trockene Art zu lachen. Luc und seine Männer waren unglaublich. Selbst ihr afghanischer Kontaktmann, Azad Rawiz, fügte sich problemlos in die Gruppe ein. Er war zwar ohne neue Informationen zurückgekehrt, konnte damit aber auch einige Möglichkeiten ausschließen. Nach Abstimmung mit Lucs Männern, die sich bei den Deutschen aufhielten, war Azad sicher, dass Kalil nicht den internationalen Truppen ins Netz gegangen war. Damit blieben nur Warzai und Melton als mögliche Ursache für sein Verschwinden übrig. Gleichzeitig wurde die Chance geringer, dass er noch lebte. Aber den Gedanken ließ Jasmin nicht zu, sondern dachte über Kalils Freund nach. Einer von Azads Vorfahren musste Europäer gewesen sein, so dass sich das Beste aus beiden Welten in ihm vereinte. Dichte schwarze Haare, die an Luc erinnerten, mit tiefbraunen Augen, aber eher europäischen Gesichtszügen. Die Freundschaft zwischen ihm und Kalil spürte man bei jedem Wort und im Gegensatz zu Luc versteckte er seine Sorgen nicht. Azad hatte Jasmin herzlich begrüßt und es war offensichtlich, dass er durch Kalil erstaunlich viel über sie wusste, aber damit konnte sie leben.
Nach einer weiteren Kreuzung erreichten sie die Garage mit ihrem Range Rover. Scott steuerte die erste Parkmöglichkeit an und stieg erleichtert seufzend aus. »Das ist kein Wagen, sondern … «
»Ich weiß, das erwähntest du schon. Und jetzt?«
»Jetzt nehmen wir uns für die letzten Meter zu deiner Wohnung reichlich Zeit, damit die anderen vorher die Gegend überprüfen können.«
»Das weiß ich doch. Aber gehen wir zu Fuß oder nehmen wir meinen Wagen?«
»Ach so. Wir fahren und parken direkt vor dem Haus.«
Jasmin rollte demonstrativ mit den Augen. »Es ist schön, dass ihr euch im Team wortlos verständigen könnt, aber ich brauche ab und zu ein paar verbale Erläuterungen.«
Scotts Mundwinkel entwickelten ein interessantes Eigenleben, als er stumm neben ihr herging und ihr zuvorkommend die Garagentür öffnete. Unvermittelt blieb er stehen und lauschte auf die Botschaft aus seinem Kopfhörer. Zwei Männer trieben sich unauffällig vor Jasmins Haus herum, waren Luc und Azad aber sofort aufgefallen.
»Bingo!« Scotts Zwinkern enthielt eine gehörige Portion Selbstgefälligkeit, die er sich für seinen cleveren Plan jedoch verdient hatte.
Automatisch wollte Scott auf der Fahrerseite einsteigen, aber Jasmin versperrte ihm den Weg und hielt lächelnd den Wagenschlüssel hoch. »Mein Auto. Ich fahre.«
Mit einem bildhaften, leisen Fluch, den Jasmin mit einem
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