Luc - Fesseln der Vergangenheit
anerkennenden Pfiff bedachte, ging Scott um den Range Rover herum. Es war eindeutig, dass die Männer ab und zu einen Dämpfer vertragen konnten.
Nachdem sie es dreimal vermieden hatte, in ihre Straße einzubiegen, wurde Jasmin ungeduldig. Dann erklang endlich Lucs Stimme aus dem Kopfhörer. »Wir sind so weit.«
»Das wird auch Zeit.« Verdammt, sie hatte nicht daran gedacht, dass ihr Mikrofon eingeschaltet war und jedes Wort zu den SEAL s übertrug.
»Hast du heute noch eine Verabredung, Jamila?«
Statt wie eine verdiente Zurechtweisung wegen ihrer Ungeduld, klang es für sie wie ein Versprechen. ›Ja, mit dir‹, hätte sie am liebsten erwidert, beschränkte sich aber auf ein unverbindliches »Sorry«. Sie räusperte sich, weil ihre Stimme entschieden zu belegt klang. »Ich bin an der letzten Kreuzung. Ihr müsstet uns gleich sehen.«
Das Verkehrsaufkommen hatte trotz der späten Stunde kaum nachgelassen, aber als Jasmin in ihre Straße einbog, war kein weiteres Fahrzeug zu sehen.
»Wir sehen euch und unsere Freunde sind plötzlich auch hellwach. Wir sind nicht ganz sicher, was ihr Fahrzeug angeht. Aber das werden wir gleich klären.«
Der Wagen ihrer Gegner war ein wesentlicher Bestandteil ihres Plans. Unerwartet verspürte Jasmin einen Anflug von Angst. Nicht um ihre eigene Sicherheit, sondern dass sie vielleicht die einzige Chance vergaben, Kalils Schicksal zu klären.
»Jetzt ist ein extrem schlechter Zeitpunkt für Lampenfieber.« Scott hatte sein Mikrofon mit der Hand abgedeckt.
Innerlich fluchte sie über seine Empfindsamkeit. Er schien wirklich jede ihrer Gefühlsregungen zu spüren. »Ich mache mir nur Sorgen, was wir machen sollen, wenn dein Plan schiefgeht.«
»Darüber reden wir, wenn es soweit ist. SEAL s sind Weltmeister im Improvisieren. Bereit?«
»Ja.« Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, steuerte sie den Range Rover mit hohem Tempo auf den Fußweg und stoppte mit einem scharfen Bremsmanöver erst direkt vor der Haustür. Mühsam widerstand sie der Versuchung, die beiden Afghanen auf der anderen Straßenseite genauer zu betrachten. Luc und Azad hatten ihre Kleidung perfekt gewählt, Jasmin hätte aus der Entfernung keinen von ihnen erkannt. Sie strebte auf die Eingangstür zu, zögerte aber, als laute afghanische Schimpftiraden erklangen. Von Chris und Timothy war wie beabsichtigt nichts zu sehen, aber Luc und Azad lieferten sich einen hitzköpfigen Streit, der darin gipfelte, dass Azad Luc heftig gegen einen geparkten Kombi stieß. Aufgebracht trat Luc gegen den Wagen, ehe er sich auf seinen angeblichen Gegner stürzte. Ein gellendes Hupkonzert und blinkende Scheinwerfer der Alarmanlage des Kombis begleiteten seinen angeblichen Angriff.
»Haut ab, das ist unser Wagen!«
Mit einem entschuldigenden Winken und einigen deftigen Bemerkungen über westliche Besatzungskräfte machten sich Luc und Azad, die plötzlich wieder beste Freunde waren, aus dem Staub.
Jasmin verkniff sich ein Grinsen. Es wäre zu auffällig gewesen, wenn sie und Scott die filmreife Vorführung ignoriert hätten, jetzt gab es jedoch keinen Grund, weiter vor dem Haus zu verharren. Die Show war vorbei. »Und der Oscar geht an die Navy SEAL s«, flüsterte Jasmin in ihr Mikro und erntete gedämpfte amüsierte Laute als Antwort.
»Hey, Funkdisziplin.« Scott stieß ihr schmunzelnd den Ellbogen leicht in die Seite und öffnete die Haustür.
Egal, ob Luc den Wagen schon mit einem Peilsender versehen hatte oder Chris das in den nächsten Minuten übernahm, sie würden ihren Gegnern dicht auf den Fersen sein, sobald sie hier verschwunden waren. Jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte Jasmin die Treppe hinauf und zog den störenden Rock fast bis zu den Knien hoch. Sie deutete auf eine Tür. »Nachbar. Kommt erst abends. Daneben ist eine Tür zu einer Treppe, die direkt an der Hauswand nach unten entlangführt. Aus der Wohnung kommen wir auch aufs Dach und von da aus auf die Treppe.«
Das Türschloss sah unversehrt aus, dennoch signalisierte Scott ihr zurückzubleiben. Erst nach einer Überprüfung des Rahmens öffnete er die Tür und blieb wie angewurzelt mitten im Raum stehen. »Du brauchst eine Putzfrau.«
Jasmin betrachtete das Chaos aus umherliegenden Sachen. »Nein, ein besseres Türschloss. Sekunde.« In Rekordzeit wechselte sie ihre afghanische Kleidung gegen Jeans und T-Shirt. »Das kann alles liegen bleiben.« Suchend sah sie sich um, bis sie den Besen unter zwei Kissen fand. »Verdammte Idioten.
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