Luc - Fesseln der Vergangenheit
Überholen zu.
Jasmin schüttelte den Kopf. »Wahnsinn, ich hätte Angst, dass mir beim nächsten Schlagloch alles auf den Kopf fällt.«
»Die sind doch nicht bescheuert, sondern wissen, was sie tun. Und ich kann mich noch erinnern, dass hier vor einigen Jahren Mohnfelder mitten zwischen dem ganzen Grünzeug blühten. Es hat sich schon einiges getan. Aber bis zu vernünftigen Verkehrsregeln und Sicherheitsvorschriften ist es noch ein weiter Weg.« Wie gewöhnlich sah Scott die Angelegenheit pragmatischer.
Luc grinste, als Jasmin bei der Belehrung mit den Augen rollte. Verstehen konnte er sie, schließlich kannte sie das Land und die Leute wesentlich besser als jeder von ihnen.
Fast ohne Übergang änderte sich die Landschaft. Eine karge, sandige Wüste umgab sie, aber die Straße war in vernünftigem Zustand. Dennoch zeichnete sich vor ihnen ein Zwangshalt ab, weil eine Schafherde im Schneckentempo die Piste überquerte. Die Menge der wogenden Tierleiber erstreckte sich, soweit Luc sehen konnte, aber ein Hirte war weit und breit nicht zu erkennen, lediglich zwei abgemagerte Dromedare und ein struppiger Esel standen am Straßenrand und kauten auf vertrocknetem Gestrüpp.
»Verdammt, das sind ja Hunderte. Es kann Stunden dauern, bis die weg sind.«
»Ach was.« Da kein anderes Fahrzeug in Sichtweite war und der Verkehr Richtung Mazar el-Sharif sich wider Erwarten in Grenzen hielt, konnten sie die Pause sinnvoll nutzen. »Wir ziehen uns um. Wenn die Viecher dann immer noch im Weg sind, kannst du dir was einfallen lassen, um sie loszuwerden.«
»Wieso ich? Ich habe von Schafen keine Ahnung.«
Scotts empörte Reaktion brachte Jasmin zum Lachen. »Wehe, du krümmst ihnen einen Wollfaden. Dann bekommst du Ärger mit mir.«
»Schade, damit scheidet dann wohl Erschießen aus. Aber das zottelige Zeug als Wolle zu bezeichnen, ist eine Beleidigung für jedes normale Schaf.«
Jasmin bedachte Scott mit einem Blick, der besagte, dass sie seine Intelligenz nicht wesentlich höher als die eines Schafes einschätzte. Dann stieg sie aus und knallte die Tür so laut zu, dass zwei Tiere erschrocken davonsprangen. »Und mir macht sie Vorschriften … «
Luc hatte nicht vor, sich bei dem Geplänkel der beiden einzumischen. »Klärt das unter euch und hör sofort auf, ihr so offensichtlich auf den Hintern zu starren.«
»Du gönnst einem aber auch nichts.«
Luc beschränkte sich auf ein Knurren, stieg ebenfalls aus und folgte Jasmin. »Du kannst dich auch gerne im Wagen umziehen.«
»Das ist nicht nötig, aber danke fürs Angebot. Wieso verwandelt ihr euch eigentlich wieder in SEAL s?«
»Gegenfrage: Was weißt du über Mazar el-Sharif?«
»Nicht viel. Da mir dort zu viel Militär unterwegs ist, habe ich immer einen riesigen Bogen darum gemacht. Die Stadt ist ungefähr dreimal so groß wie Kunduz, wesentlich staubiger, Hauptattraktion ist die Blaue Moschee und das Krankenhaus liegt in Schutt und Asche und wird gerade wieder aufgebaut. Die Deutschen haben aber dort ein hervorragendes Feldlazarett. Das war’s.«
»Damit hast du den Knackpunkt schon genannt: die Militärpräsenz. Unser Ziel ist das Feldlager. Wenn wir dort in Zivil rumlaufen, fallen wir mehr auf. Deshalb tragen wir die Uniformen wieder. Außerdem können Scott und ich bei Bedarf unsere Ränge ausspielen.« Ein Lachen stieg in Luc auf. »Es war keine böse Absicht, dich rangniedriger einzustufen. Als Offizierin hättest du einfach zu viel Aufmerksamkeit erregt, als uns recht sein kann. Eine Unteroffizierin im Sanitätsbereich geht dagegen in der Masse unter. Aber bitte immer schön formvollendet salutieren, wenn du einem vorgesetzten Offizier begegnest.«
Obwohl Jasmin unwillig die Augenbrauen zusammenzog, siegte ihr Humor. »So lässig, wie ihr miteinander umgeht, komme ich damit klar. Außerdem sieht euch kein Mensch die Ränge an, wenn ihr nur T-Shirt und Tarnhose tragt.«
»Wenn es drauf ankommt, machen wir den Leuten schon klar, wer wir sind, aber ansonsten gilt für uns das Gleiche wie für dich: Bloß nicht auffallen.«
Luc nutzte die Gelegenheit, den Anblick von Jasmins langen, gebräunten Beinen zu genießen, vergewisserte sich aber gleichzeitig, dass keiner seiner Männer es wagte, sie beim Wechsel ihrer Kleidung zu beobachten. Diese besitzergreifende Art, die an Eifersucht grenzte, war für ihn eine neue Erfahrung und er war sich nicht sicher, ob sie ihm gefiel.
Er schluckte und reichte ihr die Schutzweste mit den zahlreichen Taschen. »Kommst
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