Luc - Fesseln der Vergangenheit
verfolgt hast, als Schwester ansehe.«
Hamid gab Jasmin ein Zeichen, näher zu treten. Begleitet von Murat, der ihr nicht von der Seite wich und sich anscheinend als ihr persönlicher Leibwächter betrachtete, kam sie zu ihnen. Vor aller Augen legte Hamid ihr eine Hand auf die Schulter und sah sich auffordernd um. »Ist die Botschaft bei jedem angekommen? Jasmin hat in den letzten Jahren viel für uns getan und einige von uns haben es ihr schlecht gedankt und damit die Gastfreundschaft und die Ehre der Paschtunen beleidigt. Jeder, der ihr ab heute noch einmal zu nahe tritt, bekommt es mit mir zu tun.«
Hamids Männer hoben ihre Gewehre in die Luft und stießen Kampfschreie aus, die schmerzhaft in Lucs Ohren widerhallten. Aber das Strahlen in Jasmins Gesicht bei dieser öffentlichen Sympathiebekundung hob die kleine Unannehmlichkeit mehr als auf.
Khaled, der Warzai mit Informationen versorgt hatte, trat langsam näher. Vor Hamid blieb er stehen und neigte den Kopf. »Ich habe die gleiche Strafe wie er verdient. Mein Wunsch nach Rache hat mich geblendet und es hat die Falschen getroffen. Ich war sicher, das Richtige für dich und für uns zu tun, aber ich habe mich geirrt. Das ist mir schon klar geworden, ehe Warzai Alima und Bassam bedroht hat. Ich hoffe nur, du weißt, dass ich niemals zugelassen hätte, dass ihnen etwas passiert.«
Hamid legte ihm wie zuvor Jasmin eine Hand auf die Schulter. »Ich glaube nicht, dass du Mittel und Wege gefunden hättest, meine Familie zu schützen, aber ich glaube dir, dass du es versucht hättest. Nimm deine Frau und pack deine Sachen. Einer unserer Jeeps gehört dir. In den nächsten Monaten ist hier kein Platz für dich. Fahr nach Kunduz und wir werden sehen, ob sich mein Zorn beruhigt und du zurückkehren darfst. Wir bleiben in Verbindung, aber im Moment möchte ich dich hier nicht sehen. Ich brauche Männer, auf die ich mich verlassen kann, und nachdem du zuvor schon Luc schlecht für seine Hilfe bei Murats Tochter gedankt hast, ist dies das zweite Mal, dass du mein Vertrauen enttäuscht hast.«
Die vorübergehende Verbannung war streng und milde zugleich. Luc wartete, bis Khaled sich mit zahlreichen Entschuldigungen und Dankesbekundungen entfernt hatte. »Hast du schon mal über eine Laufbahn als Politiker nachgedacht?«
Hamids Mundwinkel hoben sich, dann lachte er. »Nein, vielen Dank. Ich würde wahnsinnig werden.«
»Na ja, zwei Urteile warten aber noch auf dich.«
»Irrtum, mein Freund. Ich bin hier nicht für alle Probleme zuständig.« Hamids Augenzwinkern gefiel Luc nur eingeschränkt. Hamid hob eine Hand und das leise Gerede um sie herum verstummte. Er wandte sich erneut an Warzai. »Wir wurden eben unterbrochen. Das Angebot, die Bedrohung meiner Familie mit Geld zu sühnen, ist eine Beleidigung. Für Menschen wie dich ist hier kein Platz, aber ich werde mir nicht die Hände beschmutzen oder eine Kugel verschwenden, um dich umzubringen. Ich überlasse dich meinem Freund, denn ich habe gehört, dass die gestrige Ergreifung eines Taliban durch die Amerikaner eine Falschmeldung war. Nun, das können wir heute korrigieren.«
Gelächter brandete unter Hamids Männern auf, die die Anspielung sofort begriffen. Keiner hatte Einwände gegen dieses ungewöhnliche Vorgehen oder zumindest wagte es keiner, Hamid öffentlich zu widersprechen.
Luc neigte kurz den Kopf. »Ich danke dir, mein Freund, und nehme dein Angebot gerne an. Ich garantiere dir, dass er dich nicht länger mit seiner Anwesenheit belästigen wird.«
Meltons Fassungslosigkeit war purer Angst gewichen. Sein Blick irrte hektisch hin und her, dann nutzte er den kurzen Moment der Ablenkung. Ehe Luc reagieren konnte, sprang Melton vor, riss Jasmin an sich und hielt plötzlich eine Pistole in der Hand.
Innerlich reihte Luc einen Fluch an den anderen. Er hätte vor Hamids Auftritt Melton durchsuchen und entwaffnen müssen. Sein Fehler. Jetzt konnte er nur abwarten. Im Moment hielt Melton sich zu dicht bei Jasmin auf, jede Kugel, die ihn traf, würde auch für sie zu einem unkalkulierbaren Risiko werden.
»Zurück. Alle.« Meltons Stimme überschlug sich.
Abwehrend hob Luc die Hände und versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Ganz ruhig. Niemandem soll etwas geschehen.«
Ein undefinierbares Geräusch entfuhr Melton, der die Entfernung zum nächsten Geländewagen abschätzte. »Wo ist der Schlüssel zu Ihrem Wagen?«
»Steckt. Aber Sie werden ohne Jasmin gehen.« Um seine Forderung zu
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