Luc - Fesseln der Vergangenheit
Paschtunen konnten einem manchmal wirklich gehörig auf den Geist gehen. »Und das ist zufällig die Frau, die ich liebe. Wenn du nicht willst, dass ich ernsthaft sauer werde, sei jetzt still und rede mit Murat und vor allem seiner Frau.«
»War das ein Befehl, Luc?«
Wenn das Zucken in Hamids Mundwinkel nicht gewesen wäre, hätte er sich vielleicht für seinen Ton entschuldigt, aber so verschränkte er lediglich die Arme vor der Brust. »Was dagegen?«
»Habt ihr es langsam? Ihr nervt beide.« Kalils Stimme war die Belustigung anzuhören und auch Scott und Andi schüttelten grinsend ihre Köpfe.
»Hast du einen MedEvac bestellt?«, erkundigte sich Andi.
»Ja. Aber das war’s bisher. Wir brauchen noch ein Taxi für diese beiden Mistkerle.«
»Darum kümmere ich mich. Wo sollen sie hingebracht werden?«
»Zuerst nach Kabul und dann mit dem nächsten Flieger in die Staaten. Vor allem Melton hat noch einige Fragen zu beantworten. Er alleine ist niemals für diese ganze Sache verantwortlich. Wenn ihr Warzai haben wollt, gehört er euch.«
»Danke, verzichte. Wir sollten ihn auf dem Rückflug aus dem Hubschrauber schmeißen.«
Andis spontane Ablehnung brachte Luc zum Schmunzeln. Von dem Mann, der ihn fast zu Tode gequält hatte, war nur noch ein ängstliches Bündel übrig geblieben. Sorgfältig horchte er in sich hinein, fand aber nur Zufriedenheit darüber, dass sie ihn ausgeschaltet hatten. Keine Spur von Rachegelüsten oder dem Wunsch, den Mann tot zu sehen. »Es wird für einige Aufregung in dieser Region sorgen, wenn sich herumspricht, mit wem Warzai zusammengearbeitet hat. Ich glaube, lebend nützt er uns mehr. Was ist mit dir, Hamid? Unsere Zusammenarbeit könnte dir schaden.«
»Und wenn schon. Ich stehe dazu und meine Männer werden dafür sorgen, dass sich die Wahrheit schnell herumspricht.«
So schnell, wie sich Gerüchte in der Bergwelt ausbreiteten, würden bald interessante Geschichten über ihre Freundschaft im Umlauf sein. Luc hoffte, dass Hamid dabei gut wegkam. Da das außerhalb seines Einflussbereiches lag, konnte er nur abwarten.
Jasmin hatte offenbar einiges von ihrer Diskussion mitbekommen. Sie winkte ihnen zu. »Wenn ihr mit Murat noch reden wollt, solltet ihr euch beeilen. Das Schmerzmittel wirkt jeden Moment und ich hoffe, er schläft dann.«
Hamid eilte zu ihm und hockte sich neben ihn. Er sprach leise, flüsterte beinahe, so dass Luc nur Bruchteile des Gesprächs mitbekam. Murats Miene war schmerzverzerrt und es war nicht klar, ob er den Sinn von Hamids Erklärung überhaupt mitbekam, aber dann irrte sein Blick zu Luc und er nickte. Einen Sekundenbruchteil später schlossen sich seine Augen und seine Gesichtszüge entspannten sich.
Scott hatte die Ereignisse bisher ruhig verfolgt. »Ich kümmere mich darum, dass seine Frau und seine Tochter bei Ana landen. Es wird Zeit, dass für die Familie bessere Zeiten anbrechen. Mir ist schon klar, dass du das lieber alleine übernehmen würdest, aber ich fürchte, du hast noch genug damit zu tun, das Chaos aufzuräumen, das wir angerichtet haben.«
Luc signalisierte seine Zustimmung. Wenn Scott diesen Ton anschlug, konnte man mit ihm sowieso nicht mehr diskutieren. Nachdem die Gefahr vorbei war, brachen Müdigkeit und Erschöpfung über ihn herein, aber es gab noch Etliches zu klären, ehe er sich etwas Ruhe gönnen konnte.
41
Der Hubschrauber war nur noch ein ferner Punkt am Horizont und eine eigentümliche Ruhe kehrte nach der Hektik, den Schüssen, den landenden und den startenden Helikoptern ein.
Scott hatte sich in den Kopf gesetzt, Murats Frau Fatima und die kleine Mouna so schnell wie möglich in die Staaten zu bringen, und wenn er etwas wollte, war es so gut wie unmöglich, ihn umzustimmen. Das hatte Andi zu spüren bekommen, und nach einer hitzigen Diskussion hatte Scott mit den beiden den gleichen Flug wie Melton, Warzai und die Deutschen genommen. Wenn sein Freund in dem Tempo weitermachte, würden sie an Bord des gleichen Fliegers wie Murat zunächst nach Deutschland und dann weiter nach Amerika fliegen. Aber warum nicht? Die Anwesenheit seiner Familie konnte nur positive Auswirkungen auf Murats Gesundheit haben. Sicherheitshalber hatte Luc ihnen Pete als zusätzlichen Begleiter mitgegeben, der Scott zurückhalten würde, wenn er es übertrieb.
Wie erwartet hatten Lucs Mutter und Ana bereitwillig die Organisation und die Abstimmung mit dem Krankenhaus übernommen und auf Fragen verzichtet. Die würden zwar später ganz
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