Luc - Fesseln der Vergangenheit
sicher kommen, aber bis dahin hatte er sich hoffentlich eine unverfängliche Geschichte zurechtgelegt.
Chris stieß ihn leicht an. »Meinst du, die trauen sich noch mal in unsere Nähe?«
Zunächst dachte Luc, es wäre die Rede von einem der Männer, die zuvor Warzai gehorcht hatten, aber dann bemerkte er seinen Irrtum. In einiger Entfernung lehnten Azad und Kalil an der Wand eines der Häuser und bedachten sowohl Luc als auch Hamid, der seit einigen Minuten eine hitzige Diskussion mit Warzais ehemaligem Stellvertreter führte, mit vorsichtigen Blicken.
Wenn es nach Luc gegangen wäre, hätten die beiden für ihren Leichtsinn ruhig noch etwas schmoren können, aber da Kalil noch meilenweit von seiner Bestform entfernt war, würde er ihm entgegenkommen. Außerdem ahnte er, dass Hamid keineswegs besonders friedfertig auf Kalils Alleingang reagieren würde.
Schon nach dem ersten Schritt in Kalils Richtung wurde er von dem Vibrieren seines Sat-Handys aufgehalten. Er stöhnte auf, als zum gefühlten hundertsten Mal in der letzten Stunde die Nummer des Admirals angezeigt wurde. Es gelang ihm nicht, seine Ungeduld zu verbergen, als er sich mit einer gebrummten Version seines Namens meldete.
Hector ignorierte seinen Unmut. »Die Navy-Polizei hat ihre Leute in Bewegung gesetzt, um Melton in Empfang zu nehmen. Bisher konnten wir über seine Festnahme Stillschweigen bewahren, aber es wird nicht lange dauern, bis seine Hintermänner merken, dass ihr bestes Pferd im Stall verschwunden ist.«
»Das ist mir schon klar. Gibt es sonst noch einen Grund für deinen Anruf?«
»Ja. Sie wollen dich möglichst schnell hier sehen, wobei ›hier‹ Washington heißt. Solange wir nicht wissen, wer noch in die Angelegenheit involviert ist, behandeln wir es als Familienangelegenheit. Falls du vorhattest, noch ein paar Tage in den Bergen zu verbringen, ist das hiermit gestrichen.«
»Großartig. Holt euch doch die Jungs von der DEA oder eins der regulären Ostküsten-Teams. Soll ich mich rüberbeamen oder wie hast du dir das vorgestellt?«
»Ich schiebe deinen Ton mal auf den stressigen Tag, Luc.« Luc fluchte leise und quetschte dann ein ›Sorry‹ zwischen den Zähnen hervor. »Morgen Mittag wartet ein Flieger auf dich, Timothy und Chris in Kunduz. Ich brauche euch hier.«
So viel zum Thema, die Sache in Ruhe mit Hamid zum Abschluss zu bringen, von Jasmin ganz zu schweigen. Wieder einmal waren seine Pläne durchkreuzt worden, aber er würde das Beste draus machen. Chris kannte ihn zu gut, um ihn sofort nach Beendigung des Telefonats anzusprechen, sondern wartete ungewöhnlich geduldig.
Genervt rieb sich Luc über das Gesicht und zwang sich dann zu einem Grinsen. »Morgen früh geht’s zurück nach Washington DC . Die haben Sehnsucht nach uns.«
»Nur so oder wegen Meltons Hintermännern?«
»Letzteres.« Luc überlegte kurz. Vielleicht konnte er die unerwartete Entwicklung sogar zu seinem Vorteil nutzen. Ein grober Plan nahm Gestalt an. Da Hamid in diesem Augenblick das Gespräch beendete, konnte er die Rahmenbedingungen sofort klären. Er signalisierte Chris, dass er alleine mit dem Afghanen reden wollte, und ging zu ihm.
Hamid fuhr sich mit beiden Händen gleichzeitig durch die Haare. »Das ist doch verrückt. Jetzt wollen sie sich uns plötzlich alle anschließen. Wie soll das funktionieren?«
Luc deutete auf die Ebene, die sich westlich vom Dorf ausbreitete. »Da vorne ist doch noch Platz. Nimm es als Kompliment.«
»Muss ich wohl. Ich werde mich an deine Worte erinnern, wenn wir uns gegenseitig auf die Füße treten.« Suchend blickte er sich um und entspannte sich, als er Alima, Jasmin und seinen Sohn vor seinem Haus entdeckte. »Besonders zufrieden siehst du nicht aus.«
»Bin ich auch nicht. Die Sache entwickelt sich anders, als ich ursprünglich geplant hatte. Kann Jasmin noch ein paar Tage, vielleicht auch zwei bis drei Wochen bei euch bleiben?«
»Natürlich, das musst du doch nicht fragen. Du willst die Sache bei dir erst vollständig zum Abschluss bringen, oder?«
»Ja, einerseits ist das sinnvoll, andererseits spiele ich ihr damit vielleicht genau in die Hände und dann haben wir ein Problem.«
Statt nachzufragen, nickte Hamid bedächtig. »Ich verstehe deinen Ärger, aber bedenke, dass man jahrelange Gewohnheiten nicht über Nacht abschütteln kann. Apropos Nacht. Alima bereitet gleich das Essen vor, bleibt es wirklich dabei, dass ihr euch das leerstehende Haus teilen wollt? Wir können auch eine Lösung
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