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Luc - Fesseln der Vergangenheit

Luc - Fesseln der Vergangenheit

Titel: Luc - Fesseln der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Ross
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vermutlich keine gute Idee. Seufzend beschränkte Jasmin sich auf die naheliegende Frage. »Wen schützt du damit: deine amerikanische oder deine afghanische Familie?«
    »Beide natürlich.«
    »Betrachtest du Ana und ihre Familie nur als deine oder ist da mehr?«
    Sie spürte, wie er erstarrte und dann langsam den Atem ausstieß. »Verdammt, du hast wirklich ein Ohr für Zwischentöne. Rein rechtlich gibt es keine familiären Verbindungen zwischen uns, aber nach afghanischem Recht haben Ana und ihr Mann mich als Sohn anerkannt.«
    Wenn er nicht so sorgfältig darauf achten würde, die Namen auszulassen, hätte sie vielleicht tatsächlich eine Chance gehabt, seine Identität mit Hilfe des Internets aufzudecken. »Wie hast du dir das verdient?«
    »Das ist nicht wichtig.«
    »Kann aber auch kein großes Geheimnis sein und ich möchte es gerne wissen. Bitte.«
    Seufzend gab er nach. »Es hat was mit einem strengen Winter, einem zugefrorenen See und zwei leichtsinnigen Kindern zu tun. Ich konnte meine Schwester lange genug halten, bis die Erwachsenen uns erreicht hatten. Das war wirklich keine große Sache.«
    Die Verwendung der Bezeichnung ›Schwester‹, nachdem er vorher von Ziehschwester geredet hatte, fiel ihr sofort auf. Innerlich aufstöhnend notierte sie ›Bescheidenheit‹ und ›Familienmensch‹ bei seinen positiven Eigenschaften, es war Zeit für ein paar negative Züge, die ihr halfen, eine gewisse Distanz wiederherzustellen.
    »Wie alt warst du da?«
    »Neun. Aber jetzt bist du dran.«
    Leider fiel ihr kein Argument ein, um ihn zum Weiterreden zu bringen. »Meine Geschichte ist aber nicht so spannend, sondern ziemlich langweilig. Ich war als Kind mit meinen Eltern lange genug in Kabul, um die Sprache zu lernen. Aber leider haben meine Eltern zur Kultur der Einheimischen immer einen gewissen Abstand gehalten. Nachdem ich vor einigen Jahren feststellen musste, dass mir das Arbeiten in staatlichen Organisationen nicht liegt, bin ich eben auf eigene Faust tätig geworden und kümmere mich um dieses Dorf. Früher waren es zwei, aber in dem anderen gibt es einen jungen Arzt, dem ich nur mit Medikamenten, Ausrüstung und ein bisschen Nachhilfe unter die Arme greife. Mal sehen, wie lange er das noch zulässt, er war das letzte Mal schon ziemlich angenervt von der Ärztin aus dem Westen, die ihm erzählt, wo’s langgeht. Ganz am Anfang meiner Tätigkeit bin ich hier gelandet. Hamids Sohn war an einem an sich harmlosen Virus erkrankt, der hier meistens tödlich verläuft. Bassam wäre fast erstickt, ehe die Medikamente wirken konnten, aber mit Hilfe eines Luftröhrenschnittes konnte ich ihn retten. Das war weit weniger dramatisch als es sich anhört oder aussah, aber seitdem betrachtet Hamid mich als seine jüngere Schwester. Das hat unzählige Vorteile, aber auch den einen oder anderen Nachteil.«
    »Du nennst es langweilig, dem Kind eines berüchtigten Talibananführers einen Luftröhrenschnitt zu verpassen?«
    »Ach was, er war doch nur ein besorgter Vater, und du solltest bemerkt haben, dass er keineswegs so ist, wie die Medien ihn darstellen.«
    »Ich wette, das sehen die Angehörigen des französischen Reporters, den er exekutiert hat, anders.«
    Obwohl Luc kaum wissen konnte, dass der Franzose den Tod verdient gehabt und Hamid ihn nicht getötet hatte, wurde sie wütend. Hamid war bestimmt kein Heiliger, aber auch bei weitem nicht der Mörder und Verbrecher, als den ihn die westlichen Medien darstellten. Mit einem Ruck gab sie die bequeme Sitzposition auf und verspürte sofort einen Stich des Bedauerns darüber.
    »Wenn du das so sicher weißt, warst du anscheinend ja dabei und hast mit deinem Vorwurf ja so recht. Ich war damit auch überhaupt nicht einverstanden.«
    Ihr bewusst unschuldiges Lächeln täuschte Luc keine Sekunde. Mit erhobener Augenbraue breitete er einladend die Hände aus. »Also gut, ich höre.«
    »Ich kenne die Bilder und die Gerüchte, aber so war es nicht. Fakt ist, dass der Kerl den Tod verdient hatte. Und es gibt auch genug Leute, die der Meinung sind, dass man dem Kerl nicht erst nach seinem Tod die Du-weißt-schon-was hätte abschneiden sollen. Es gab sogar einen Moment, da habe ich ihnen zugestimmt.«
    Lucs fassungslose Miene brachte sie trotz des ernsten Themas zum Schmunzeln. »Du siehst mich an, als ob ich verrückt geworden wäre.«
    »Das kann nicht dein Ernst sein. Ich hätte gerne eine Erklärung, und zwar sofort.«
    »Vorsichtig, Luc, bei dem Ton könnte man vermuten,

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