Luc - Fesseln der Vergangenheit
zusammengefunden und musterten ihn verstohlen. Der Älteste von ihnen rief den anderen etwas zu und kam auf Luc zu. »Wie geht es Mouna?«
Der aggressive Tonfall des Grauhaarigen gefiel Luc ebenso wenig wie die Hand, die lässig auf dem Griff seiner Pistole lag. »Außer Lebensgefahr.«
»Gut, sehr gut. Du hast ihr geholfen?«
»Jasmin hat sie gerettet.«
»Das war nicht die Frage.«
Ein Jeep kam mit Vollgas auf sie zugefahren, stoppte in einer Staubwolke wenige Meter vor ihnen und beendete vorübergehend das Gespräch. Der Fahrer sprang mit einem Gewehr in der Hand aus dem Wagen und rannte auf das Haus zu. Statt hineinzustürmen, blieb er unmittelbar vor Luc stehen. »Verdammter Amerikaner, was hast du mit meiner Tochter gemacht?«
Die Anschuldigung verschlug Luc die Sprache. Vorsichtshalber wich er einen Schritt zurück. »Keine Ahnung, was du meinst. Ich habe Jasmin geholfen, sie ärztlich zu versorgen.«
»Da habe ich was anderes gehört.«
Mounas Vater brachte das Gewehr in Anschlag und in seinen Augen erkannte Luc die Gewissheit, dass er abdrücken würde, ohne ihm die Chance zu einer Erklärung zu geben.
Er zögerte keinen Moment, schlug die Waffe zur Seite und setzte mit einem Fußtritt nach. Mounas Vater taumelte zurück. Luc sprang vor und entriss ihm das Gewehr. Mit einem weiteren Tritt in den Magen schickte er seinen unerwarteten Gegner zu Boden. Er drückte ihm die Mündung fest an die Kehle und beugte sich über ihn. »Ich habe keine Ahnung, was du gehört hast, aber da ich als Einziger eine Erste-Hilfe-Ausbildung hatte, hat Jasmin mich um Hilfe gebeten. Mehr nicht.« Luc wartete, bis seine Worte den Mann sichtlich erreicht hatten, warf das Gewehr zur Seite und hielt ihm die Hand hin. »Reg dich ab und geh rein. Deine Tochter und deine Frau brauchen dich.«
Mounas Vater wirkte nachdenklich, aber keineswegs überzeugt.
Ein junger Afghane trat zu ihnen. »Er sagt die Wahrheit. Ich weiß nicht genau, was geschehen ist, aber er ist erst dazugekommen, als deine Tochter schon verletzt war.«
Endlich ließ sich Mounas Vater hochziehen und berührte mit der anderen Hand kurz Lucs Arm, brachte aber kein Wort hervor, sondern verschwand stumm im Inneren des Hauses.
Aufatmend wollte Luc sich abwenden, erstarrte aber im nächsten Moment. Vier Männer hielten ihre Waffen unmissverständlich auf ihn gerichtet. Der Grauhaarige, der ihn zuvor angesprochen hatte, trat unangenehm dicht an ihn heran. »Stimmt es, was er vermutet: Bist du Amerikaner?« Der Hass des Mannes war mit Händen greifbar.
»Dazu sage ich nichts.«
»Aber ich habe einiges dazu zu sagen, dass du die Abmachung mit Hamid gebrochen hast.« Bedeutungsvoll blickte er auf das Gewehr, das neben ihnen im Staub lag.
Da das Urteil bereits feststand, lohnte sich keine Verteidigung. Luc ahnte, was ihm bevorstand. Unbewaffnet gegen vier bewaffnete Männer anzutreten, war Selbstmord, dennoch würde er nicht kampflos aufgeben.
Der junge Afghane, der mit Mounas Vater geredet hatte, schüttelte missbilligend den Kopf. »Warte, bis Hamid zurück ist. Die Sache ist nicht so eindeutig, wie du es darstellst.«
»Er hat einen von uns angegriffen und ein Gewehr in der Hand gehabt. Die Fakten sprechen für sich. Runter auf die Knie.«
Die letzten Worte galten Luc, der nicht reagierte. Die Quittung bekam er sofort. Ein Tritt von hinten in die Kniekehle schickte ihn zu Boden. Fluchend wollte er aufspringen, da traf ihn die Mündung einer Pistole hart in der Nierengegend. Zusammengekrümmt blieb er liegen und biss sich auf die Lippen, um ein Stöhnen zurückzuhalten. Er hatte vor Warzai nicht nachgegeben und würde das auch jetzt nicht tun. Aufgeben wäre einfach, aber widersprach allem, was ihm in seiner Familie und der Navy beigebracht worden war. Noch während er sich herumwälzte, trat er nach dem Grauhaarigen, der am dichtesten bei ihm stand. Auch wenn seine Zufriedenheit nur von kurzer Dauer sein würde, genoss er den Anblick, wie der Mann zu Boden ging. Luc konnte sich noch mit einem Ellbogenschlag in den Magen für die rasenden Schmerzen in seinen ohnehin schon geprellten Nieren revanchieren, dann gingen sie zu viert auf ihn los.
So gut es ging, blockte er die Schläge und Tritte ab und teilte aus, aber gegen die Überzahl war er chancenlos. Nach wenigen Augenblicken lag er auf dem Bauch und seine Hände wurden auf den Rücken gezerrt. Wieder musste er einen Schmerzlaut unterdrücken, als ein rauer Strick um seine verletzten Handgelenke geschlungen
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