Luc - Fesseln der Vergangenheit
traute er seiner Stimme wieder. »Mit Mouna alles in Ordnung?« Als Jasmin antworten wollte, winkte er ab. »Dumme Frage, sonst wärst du nicht hier.«
»Stimmt. Aber nun komm mit. Hamid schuldet dir etwas und ich sorge dafür, dass du es bekommst.«
9
Jasmin hoffte, dass ihr nicht anzusehen war, wie ihr Puls raste. Noch nie hatte sie dermaßen gegen die Versuchung ankämpfen müssen, etwas völlig Unsinniges zu tun, wie zum Beispiel herauszustürmen und sich mit der Waffe in der Hand Respekt zu verschaffen. Der kurze Blickkontakt und Lucs Lächeln hatten ihr im wahrsten Sinne des Wortes das Herz gebrochen. Noch immer zog sich ihr Inneres schmerzhaft zusammen, wenn sie daran dachte, wie ungerecht er behandelt worden war.
Wie sollte sie ihn morgen im Dorf zurücklassen? Und dennoch war es das Beste, was sie für ihn tun konnte. Er hatte wirkungsvoll bewiesen, dass er auf sich aufpassen konnte. Einigen Bemerkungen der Männer hatte sie entnommen, dass er beinahe mit den vier Männern fertig geworden wäre. Alleine hatte er vielleicht eine Chance.
Und selbst, wenn nicht Hamid und Warzai zwischen ihnen gestanden hätten, gab es keine gemeinsame Zukunft für sie und Luc. Sie konnte von ihm nicht verlangen, sein normales Leben hinter sich zu lassen, um sich mit ihr zu verstecken. Es gab nur das Hier und Jetzt. Das musste sie akzeptieren und die wenigen Stunden, die ihnen blieben, sinnvoll nutzen. Erinnerungen waren alles, was ihr bleiben würde.
Luc ging schweigend neben ihr auf dem schmalen Pfad, der sie durch mannshohe Felsformationen tiefer in die Berge führte. Mittlerweile hatten sie das Dorf hinter sich gelassen. Niemand befand sich in Hörweite und niemand würde es wagen, ihnen auf dem Weg zu folgen, den Hamid als seinen Privatbesitz betrachtete. Sie genoss das Gefühl, mit Luc alleine in der Bergregion zu sein, und würde die ungestörte Zweisamkeit nutzen.
Leider war offensichtlich, dass Luc etwas beschäftigte. Unvermittelt blieb er stehen und packte sie an den Schultern. »Dass eines klar zwischen uns ist: Du verlässt morgen das Dorf. Rechtzeitig vor Warzais Ankunft, und zwar alleine.«
Kein Funken Humor oder Mitgefühl zeigte sich in seinen blauen Augen, während er auf ihre Reaktion wartete. Er wirkte wie ein Fremder auf sie und dennoch verlangte er etwas absolut Selbstloses. Unbeeindruckt hob sie ihr Kinn und erwiderte den bohrenden Blick. »Aber nur deshalb, weil ich für dich eine Gefahr wäre. Meinetwegen streite es ab, aber ich weiß, dass du Amerikaner bist. Deine Regierung würde einiges dafür geben, mich in die Hände zu bekommen. Aber ich würde nicht im Gefängnis landen, sondern wäre verdammt schnell tot. Wenn herauskommt, dass du mich kennst, würden sie vielleicht sogar dich auf mich ansetzen. Lass es einfach, Luc.«
Ehe er antwortete, sah Luc sich sorgfältig um und vergewisserte sich, dass niemand in ihrer Nähe war. »Warum?«
Einen Sekundenbruchteil überlegte sie, mit ihm offen über ihre Vergangenheit zu reden. Vermutlich würde er ihr eine faire Chance geben, ihre Sicht der Dinge zu schildern, und ihr vielleicht sogar glauben. Aber dann? Sie hatte zu spüren bekommen, wie mächtig ihr Gegner bei der CIA war. Das Lügengeflecht ihres ehemaligen Vorgesetzten hatte ganz andere Leute getäuscht und jeden ihrer Versuche, für Gerechtigkeit zu sorgen, schon im Keim erstickt. So wie sie Luc einschätzte, würde er keine Minute zögern, den Kampf aufzunehmen. Sofern es ihm überhaupt gelang, Warzai zu entkommen, hätte er sofort das nächste und definitiv unlösbare Problem am Hals. Das konnte sie nicht zulassen. »Das kann ich dir nicht sagen. Es gibt keinen Ausweg, Luc. Wenn es ihn geben würde, hätte ich ihn schon längst gefunden.«
»Ich verstehe kein Wort, aber wir werden das nicht hier und jetzt klären, sondern sobald ich aus diesen verdammten Bergen raus bin. Gib uns doch eine Chance, herauszufinden, was zwischen uns ist.« Sein Blick wurde sanfter und wie schon so oft zuvor, legte er ihr zärtlich eine Hand an die Wange.
Automatisch schmiegte Jasmin ihre Wange in seine Handfläche und wünschte sich verzweifelt, seinem Wunsch nachgeben zu können. »Das wird nicht funktionieren.«
»Was immer du dir auch in Bezug auf die amerikanische Regierung einbildest, wir können das Problem lösen.«
Das klang, als ob sie ein kleines Mädchen wäre, das nicht wusste, wovon es sprach. Ärger kochte in ihr hoch. »Du hast doch keine Ahnung, worum es hier geht. Also spar dir deine
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