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Luc - Fesseln der Vergangenheit

Luc - Fesseln der Vergangenheit

Titel: Luc - Fesseln der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Ross
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dem Ansatz eines Lächelns, um ihr zu signalisieren, dass er in Ordnung war. Er hätte es nicht ertragen, wenn sie sich seinetwegen in Gefahr begab und er hilflos zusehen musste. Ihre Mundwinkel zitterten, aber sie brachte ein Nicken zustande und ging zurück ins Haus.
    Die Minuten zogen sich endlos hin und die Mittagshitze tat ein Übriges, um die Wartezeit unerträglich zu machen. Dennoch zweifelte Luc nicht daran, dass Hamids Urteil zu seinen Gunsten ausfallen würde. Den Gedanken an die Konsequenzen, wenn er sich irrte, verdrängte er. Bisher hatte er sich auf seine Menschenkenntnis verlassen können. Obwohl es ihm ständig schwerer fiel, hielt er den Rücken gerade durchgestreckt und ignorierte seine schmerzenden Schultern. Er würde nicht vor dem Grauhaarigen zusammenbrechen. Um keinen Preis der Welt. Entschieden kämpfte er gegen die schwarzen Schatten vor seinen Augen an, die ihn daran erinnerten, dass er noch meilenweit von seiner Bestform entfernt war. Die Flucht in die Bewusstlosigkeit wäre einfacher gewesen, aber er bevorzugte den schweren Weg.
    Die Hände vor der Brust verschränkt wartete Alima im Schatten der Hauswand gemeinsam mit den Männern. Bisher hatte sie jede persönliche Geste oder aufmunterndes Wort vermieden. Jetzt trat sie näher und bot ihm Wasser an, das er dankbar annahm. Als sie die Flasche verschließen wollte, fiel der Deckel in den Staub. Sie bückte sich und hielt dabei in einer für sie ungewohnten Geste ihr Tuch vor den Mund. »Noch höchstens zehn Minuten«, flüsterte sie ihm zu.
    Obwohl er sich nichts anmerken ließ, war das genau das, was er gebraucht hatte. Die restliche Zeit verging deutlich schneller. Mit ausdrucksloser Miene, die in völligem Gegensatz zu der Unruhe in seinem Inneren stand, beobachtete Luc den näherkommenden Geländewagen. Den Mann am Steuer erkannte er sofort. Hamid.
    Eilig kam der Talibananführer näher und zog Alima zur Begrüßung rasch an sich. Trotz der ungewöhnlichen, öffentlichen Zuneigungsbekundung wandte er sich an den Grauhaarigen. »Was ist passiert?«
    Luc rechnete mit einer Aneinanderreihung von Halbwahrheiten, aber der ältere Mann erklärte seinem Anführer die Ereignisse ehrlich und offen. Hamids Miene war ein Spiegel von Lucs eigener beherrschter Maske und seine Hoffnung auf ein faires Urteil schwand, während die Wut wieder Oberhand gewann. Unerwartet gesellten sich Mounas Vater und der Blonde zu ihnen. Statt das Wort zu ergreifen, stellten sie sich demonstrativ zwischen Luc und den Grauhaarigen. Die wortlose Parteiergreifung nahm Hamid mit dem Ansatz eines Grinsens zur Kenntnis. »Eine Stunde oder länger gefesselt in dieser Hitze ist ein mieser Dank für die Rettung eines Kindes. Es gibt einen Unterschied zwischen einem Angriff und gerechtfertigter Selbstverteidigung, der eigentlich nicht so schwer zu erkennen ist. Dein Hass auf die Amerikaner trübt dein Urteilsvermögen, mein Freund, und dein Zorn traf den falschen Mann.« Beifälliges Gemurmel ertönte, damit hatte Hamid die Fronten geklärt, aber gleichzeitig dafür gesorgt, dass der Grauhaarige nicht das Gesicht verlor. Hamid beugte sich zu Luc herunter und durchtrennte das Seil. Statt es dabei bewenden zu lassen, hielt er Luc die Hand hin.
    Das Angebot abzulehnen, wäre eine Kränkung, die Hamid nicht verdient hatte. Obwohl seine Schulter gegen die ruckartige Bewegung mit einem heftigen Stechen protestierte, ließ Luc sich hochhelfen. Das Schwindelgefühl hielt sich in Grenzen, so dass er nicht befürchten musste, im nächsten Moment wieder im Staub zu liegen.
    »Jasmin wird sich um dich kümmern. Wir erwarten euch in einer Stunde zum Essen.«
    Nach afghanischen Maßstäben war eine Einladung zum Essen in das Haus des Anführers mehr wert als jede Entschuldigung. Hamid schien keinen Dank erwartet zu haben oder er ahnte, dass Luc außer einem trockenen Husten kein Wort hervorbringen würde. Mit einem knappen Nicken wandte Hamid sich ab. Einen Arm um seine Frau gelegt, ging er die Straße hinunter. Luc sah noch, dass sich der Sohn der beiden begeistert auf seinen Vater stürzte, dann war Jasmin bei ihm und alles andere war unwichtig.
    »Trink das. Wasser und Elektrolyte. Ich könnte sie alle umbringen. Solche Idioten.«
    Misstrauisch betrachtete er die durchsichtige Plastikflasche. Das helle Gelb weckte Assoziationen, die ihm nicht gefielen. Trotzdem würgte er die Flüssigkeit herunter und verzog das Gesicht. Wie konnte etwas gleichzeitig salzig und süß schmecken? Endlich

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