Luc - Fesseln der Vergangenheit
dich.«
»Ich freue mich auch, dich zu sehen, Kleiner. Lass Mom aus dem Spiel. Sie hat genug mit Dom zu tun. Sein Stunt mit dem Machete-Typen hat sie unvorbereitet beim Abendessen getroffen. Du kannst dir ihre Reaktion bestimmt vorstellen.«
Konnte er offensichtlich, denn ein Lächeln entspannte Jays müde Gesichtszüge und vertrieb die Mattigkeit aus seinen Augen. »Ich wette, ihm wäre ein zweiter Typ mit großem Messer lieber gewesen als Moms Standpauke.« Gähnend deutete er auf die kleine Gesprächsecke. »Mach es dir bequem. Was ist da drin?« Begehrlich blickte Jay auf die Papiertüte in Lucs Hand.
»Donuts natürlich. Ist das nicht euer Hauptnahrungsmittel?«
»Ich bin FBI -Agent und kein Cop, du Witzbold. Dann pack aus, ich kümmere mich um Kaffee.«
»Brauchst du nicht, in der Tüte ist auch was Vernünftiges von Starbucks. Falls es dich interessiert: Du siehst keinen Deut besser aus als ich. Hast du die Nacht durchgemacht?«
»Ja. Erzähle ich dir gleich. Ich brauche dringend eine Ladung eiskaltes Wasser ins Gesicht, ehe ich es mit dir aufnehme.«
Eine halbe Stunde später waren von den Donuts nur noch ein paar Krümel übrig, die Kaffeebecher bis zum letzten Tropfen geleert und Luc hatte einen groben Überblick über Jays eigene Probleme. Das Fazit aus der Aneinanderreihung aufgeflogener Überwachungen und erfolgloser Razzien gefiel Luc nicht. »Du weißt, worauf das hindeutet, oder muss ich dir Nachhilfe in Polizeiarbeit geben, Special Agent?«
»Bleib du bei dem, was du kannst, Soldat. Ich weiß, dass es nach einem Maulwurf in unseren Reihen klingt.«
»Da schwingt ein ›aber‹ mit.«
»Tut es auch. Beim letzten Fall habe ich den Kreis der Eingeweihten extrem klein gehalten und es hat trotzdem nicht funktioniert. Wie würde es dir gefallen, wenn es plötzlich heißt, einer aus deinem Team arbeitet, sagen wir, für die Taliban?«
Schlagartig an seine eigene Situation erinnert, sprang Luc auf und vergaß für den Moment die Probleme seines Bruders. Mit drei Schritten erreichte er das Fenster und ließ den Blick über die Rasenfläche wandern, die das Gebäude an dieser Seite umgab. Mit einem Ruck konzentrierte er sich wieder auf Jay. »Hör auf dein Gefühl. Wenn du sicher bist, deinen Leuten vertrauen zu können, dann suche nach einer anderen Erklärung.«
Jay trat neben ihn. »Das werde ich tun. Aber was war das eben? Habe ich da einen Nerv getroffen?«
»Ja, das hast du. Nur dass es nicht um einen meiner Männer geht, sondern dass ich derjenige bin, dem so etwas vorgeworfen wird. Und ehrlich gesagt, liegen sie damit sogar zum Teil richtig. Jedenfalls aus ihrer Sicht.« Schonungslos offen schilderte Luc seinem Bruder die Ereignisse von der Explosion des Sprengkörpers bis zu seinem eigenmächtigen Abbrechen des Verhörs durch die CIA . Am Ende seines Berichts angekommen schüttelte Jay den Kopf, als ob er es nicht glauben könnte. Dann bückte er sich und öffnete eine Schublade seines Schreibtischs. Wortlos holte er zwei Gläser hervor und schenkte ihnen einen Fingerbreit schottischen Whiskys ein. »Ich weiß, dass es dafür eigentlich noch zu früh ist. Aber wenn ich höre, dass mein Bruder in den Händen der Taliban war, ist das mehr als gerechtfertigt. Wobei wirklich nur du es fertigbringst, in der Situation auch noch eine Frau aufzureißen. Ist es dir wirklich ernst mit der Ärztin oder lag es nur an der ungewöhnlichen Situation?«
Luc prostete seinem Bruder zu und nippte an dem Single Malt. »Ich war erst nicht sicher, aber jetzt ist Jasmin morgens mein erster Gedanke und abends mein letzter. Was sagt dir das?«
Jay lachte heiser auf. »Dass es dich endlich erwischt hat, großer Bruder.«
Luc brachte nur ein gequältes Grinsen zustande und warf die Plastiktüte mit Jasmins Taschenmesser auf den Schreibtisch. »Da müssten eigentlich ihre Fingerabdrücke drauf sein. Aber dir ist klar, dass wir oder eher du mit der Recherche ein Erdbeben auslöst, wenn Jasmins Behauptung stimmt, dass die Regierung hinter ihr her ist?«
Jay schwieg geraume Zeit. »Sag mal, bin ich der Einzige hier, dem auffällt, dass an deiner Geschichte etwas nicht stimmt?«
Ratlos breitete Luc die Hände aus. »Keine Ahnung, worauf du hinauswillst.«
»Also ich bin bestimmt kein Freund der CIA , aber findest du es normal, wie sich dieser Melton aufgeführt hat und dass sie dich stundenlang auseinandernehmen?«
Jays Schlussfolgerung verblüffte Luc. Eigentlich hatte sein Bruder recht und er fragte sich, wieso
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