Luc - Fesseln der Vergangenheit
reparieren, nachdem der Idiot es an den Baum gesetzt hat.«
Die Erinnerung an das Wochenende brachte Luc zum Schmunzeln. Er liebte seinen zwanzig Jahre alten Porsche Carrera und hatte ihn mit Scotts Hilfe von einem klapprigen Schrotthaufen in ein echtes Juwel verwandelt – bis sein Bruder das schwarze Cabrio fast in seine Einzelteile zerlegt hatte. Nach dem ersten Schock hatten sie zu dritt die Schäden beseitigt und dabei etliche Flaschen Bier geleert und ihre erfolgreiche Reparatur schließlich mit einer nächtlichen Tour über den Highway gefeiert.
Es brachte ihn kein Stück weiter, wenn er sich den Abend mit Grübeleien verdarb, so dass er das Thema beendete. »Was macht dein Bein?«
»Eigentlich ist alles gut, nur war der Zwei-Kilometer-Lauf am Strand ein bisschen verfrüht. Ich schätze, noch eine Woche und ich bin wieder so gut wie neu.«
»Und was meinte die Ärztin?«
»Ach, die hatte doch keine Ahnung. Die redete was von noch drei Wochen dienstuntauglich. Dass eins klar ist, Luc, wenn du auf eigene Faust losziehst, bin ich dabei. Diskutier deswegen nicht mit mir, du würdest eh verlieren.«
»Das habe ich nicht vor. Hast du auch Hunger? Ich kann zwei Pizzen in den Ofen schmeißen.«
»Tu das. Dann kannst du auch noch eine Flasche aus dem Weinregal springen lassen.«
Luc verzog den Mund. »Muss das sein? Das wäre Verschwendung für einen texanischen Ignoranten wie dich. Bleib lieber bei deinem Bier, ehe du meinen fünf Jahre alten Barolo wieder als ›netten Traubensaft‹ bezeichnest.«
Mitleidlos schüttelte Scott den Kopf. »Es ist eben nicht jeder mit einem goldenen Löffel im Mund geboren, Lucien .«
Die Anspielung auf seine Familie und Verwendung seines vollen Vornamens ließ Luc mit den Augen rollen. Da seine Herkunft nie zu einem Problem zwischen ihnen geworden war, konnte er mit Scotts gelegentlichen Frotzeleien leben. Er hatte die Verandatür bereits erreicht, als sein Handy mit einem Vibrieren einen Anruf ankündigte. Nach einem Blick aufs Display grinste er. Das war die ideale Rache an Scott. »Hier, übernimm du das.« Er warf seinem Freund das Telefon zu, der es instinktiv auffing.
»Ist das Jay?«
»Nein, Mom. Viel Spaß, Texas Boy. Ich kümmere mich ums Essen, du übernimmst das Telefonat.«
Luc eilte ins Haus, ehe Scott protestieren konnte, wohl wissend, dass sein Freund es nicht fertigbrachte, den Anruf zu ignorieren. Er hörte noch das erste »Ma’m« und verkniff sich mit Mühe ein lautes Lachen. Seine Eltern mochten Scott und bei ihren Familientreffen gehörte er dazu, als wäre er ihr leiblicher Sohn. Während sein Freund mit Lucs Vater und Brüdern zwanglos und freundschaftlich umging, flößte ihm Lucs Mutter weiterhin sichtlich Respekt ein und verwandelte den raubeinigen Texaner in einen wahren Gentleman. Egal, wie oft sie ihn bat, sie ›Marie‹ zu nennen, er blieb bei seinem ›Ma’m‹ und ignorierte den Spott, den er sich von den anderen Männern anhören musste.
16
Am nächsten Morgen führte Luc der Weg zur FBI -Zentrale von San Diego über die gesamte Halbinsel Coronado und an der Naval Base vorbei. Nach weiteren zwanzig Minuten Fahrt durch San Diego und einem Abstecher zum Starbucks lag das FBI -Gebäude am Aero Drive vor ihm und sein Militärausweis verschaffte ihm Zufahrt zu den bewachten Parkplätzen. Aus Angst vor Terroranschlägen war das gesamte Areal eingezäunt und wurde streng bewacht. Die benachbarte Shoppingmeile mit ihren Fast-Food-Restaurants war zwar in Sichtweite, aber dennoch nur über zeitaufwendige Umwege für die Angestellten zu erreichen.
Im Eingangsbereich passierte Luc problemlos die strikten Kontrollen und beglückwünschte sich zu seiner Entscheidung, seine Waffe im Wagen zu lassen. Das hätte die gesamte Prozedur in eine zeitraubende Angelegenheit verwandelt. Außer einem unguten Gefühl gab es eigentlich keinen Grund, die Sig Sauer zu tragen, aber er hatte gelernt, auf seine Instinkte zu hören.
In dem Gewirr aus Fluren und Türen ohne Namensbezeichnungen fand Luc problemlos den Weg zum Büro seines Bruders. Jay sah nur kurz von seinem PC hoch und gab ihm mit gerunzelter Stirn zu verstehen, kurz zu warten. Nach einem letzten Mausklick stand er auf und musterte Luc von Kopf bis Fuß. »Anscheinend hast du nicht übertrieben, dass du Hilfe brauchst. Du siehst total fertig aus. Was ist passiert? Und komm mir nicht mit irgendwelchem Blödsinn von wegen zu viel Training oder so. Ich will die Wahrheit hören, sonst hetze ich Mom auf
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