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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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und schlichen an allerlei Handwerkern vorbei, zu den Räumen im Nebentrakt, die man mir zugedacht hatte.
    Diese erreichte man über eine schmale, über die Jahrhunderte ausgetretene Treppe. Da ich die Absicht hatte, ab und zu auch mal Freunde mitzubringen, war es mit dem Sender abgesprochen, dass man mir neben meinem größeren noch ein etwas kleineres Zimmer zur Verfügung stellen würde.
    Das interessierte uns nun naturgemäß weniger, aber als ich sah, dass man sich an die getroffenen Absprachen gehalten hatte, freute ich mich darüber. Ergänzt wurde mein Domizil durch ein kleines Duschbad und eine Art winzige Teeküche mit einem Zweiplattenherd, einem Wasserkocher und einer Mikrowelle, was ich irgendwie absurd fand.
    Mein Zimmer gefiel mir. Grauer Steinfußboden, zwei Fenster, eins nach Süden, eins nach Westen, ein großes Pinienholzbett, in dem man es sich zu zweit richtig nett machen konnte und zwei Korbsessel.
    Wir packten die Koffer auf einen kleinen, schlichten Holztisch, der sich in einer Fensternische befand und dann, ja dann... sahen wir uns lange an.
    »Keine gute Idee gewesen, heute hierhin zu kommen...«, gab ich zu, während von unten grelle Bohr- und Schleifgeräusche zu uns herauf drangen.
    »Doch! Ich bin froh, es zu sehen.«
    »Aber die Hektik, und die Leute überall...«
    »Die verschwinden sicher bald. Das sind Handwerker, die bleiben nicht über Nacht.«
    »Und bis dahin? Wir haben es gerade mal halb drei...«
    »Lass uns wandern. Die Gegend ist wunderschön. Wir suchen uns einen Platz im Wald und genießen die Ruhe.«
    Shiro hatte sich wirklich verändert, in Japan. Ruhe - war so ein Begriff, den ich früher gar nicht mit ihm in Verbindung bringen konnte. Jetzt suchte er öfter - Stille - oder - Ruhe - um Gedanken nachgehen zu können oder um einfach nur für sich zu sein.
    Wirklich viel erzählt hatte er noch nicht, aber von meiner Seite aus gab es bislang auch wenig Fragen. Das lag vielleicht einfach daran, dass ich etwas überrumpelt von seiner unerwarteten Rückkehr gewesen war. Und natürlich beschäftigte mich zur Zeit vor allem mein ganz ureigener Kosmos. Da war wenig Platz für anderes...
    Um so besser gefiel mir sein Vorschlag, gemeinsam die Ruhe zu suchen. Das war neu für mich.
    Also machten wir es so, packten etwas zu essen und eine Flasche Wasser ein und begaben uns auf den Weg.
     
    Saftiges, von der Sonne unberührtes Gras, weiche, moosige Stellen auf sanft geformten Steinflächen, Untergehölz mit noch nie gesehenen Früchten: Unsere Wanderung durch die Berge hatte etwas ganz außergewöhnliches für mich. Wir waren uns auf eine neue Art nah.
    So wie die Natur, der Wald und die Lichtungen uns umschlossen, so tauchten auch wir in eine ganz eigene Stimmung ein, die uns verband.
    Wir folgten einem schmalen Pfad, der hinter dem Klostergarten bergab in den Wald führte. Es war ein drückend heißer Tag, daher genossen wir die wohltuende Frische unter dem Blätterdach, das uns mit seinem weichen Licht- und Schattenspiel vor der Sonne schützte. Der angenehm würzige Duft, welcher schon im Hof zu erahnen war, entwickelte nun gemeinsam mit dem humosen Waldboden eine fast betäubende Intensität. Ich atmete tief ein.
    »...Hmm... ist es da ein Wunder, dass Wildschwein, Hirsch und Hase solche Aromen entwickeln?«
    Shiro lachte auf seine rau-weiche Art. »...Du kannst dir nicht vorstellen, wie mir das gefehlt hat...« Er bog einen Zweig zur Seite, der uns den Weg versperrte.
    »Ein Waldspaziergang...?«
    » Du! Mein blau-braunäugiger Spinner...«  
    »Echt...? Gab’s da nicht auch den einen oder anderen verführerischen Koch? Irgendeinen heißen Sushi-man?«
    »Sicher gab’s den...«, antwortete er entgegen meiner Erwartung. »...Aber das meine ich nicht...«
    »Was meinst du dann?« Ich war stehengeblieben. Er drehte sich um und bedachte mich mit einem warmen Lächeln.
    »Mir fehlte Luca! Mein Gegenüber. Mir fehlte es, jemanden zum Reden zu haben. Mein Vertrauter...« Er tat einen Schritt auf mich zu und sah in mein braunes Auge. »...Was das anging, war ich in Kumamoto ganz allein...«
    »Du hattest Ayumi...«
    »Das habe ich auch gedacht...« Er sah sich um, ging dann ein Stück weiter, deutete auf einen umgestürzten Baum und setzte sich. Ich tat es ihm gleich.
    »...Aber ich bin auch ein Stück Alessandro Comero. Das ist mir nie so klar gewesen wie in Japan. Und das haben sie mich spüren lassen. Nicht, dass sie es wollten...« Er hatte begonnen, mit einem Stock Muster auf den

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