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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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nicht. Ihr . . .«, er richtete sich an zwei Frauen vom Stand der Fraueninitiative, »helft bitte dem alten Mann. Holt ihm noch etwas Wasser und legt ihm eine Decke um.« Dann rief er hinüber zu Mrs Reed. »Jenny, finde du bitte genau raus – Hallo?« Während er in sein Handy sprach und Polizei und Krankenwagen rief, kniete sich Mrs Reed vor den Alten hin und sprach ganz ruhig mit ihm. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagte. Die Straße war von Lärm erfüllt.
    Ich schaute mich langsam um.
    Eine Gruppe junger Männer hatte sich bereits organisiert und brach gerade mit Holzplanken, Decken und einem Erste-Hilfe-Koffer zum Ufer auf. Einer von ihnen hatte auch einen Metallstab dabei. Menschen standen auf ihren Lieferwagen und suchten mit Feldstechern den Strand ab. Kinder weinten. Ich hörte, wie etliche Leute per Handy Freunde anriefen, um ihnen zu sagen, dass irgendwas los sei. Andere entfernten sich: stille Paare, junge Frauen, Familien, die ihre Kinder nach Hause brachten. Ein paar vereinzelte Leute standen herum und genossen mit grimmigen Mienen das Spektakel.
    Shev sprach immer noch in sein Handy. »–   genau, der Bunker am Point. Der Mann, der sie gefunden hat, heißt Willington,Stanley Willington.« Shevs Blick fiel auf eine Person oben an der Straße. Er hob die Hand und winkte sie heran, während er weiter ins Telefon sprach. »Mr Willington wird von jemandem versorgt. Er befindet sich in der High Street. Ich nehme jemanden mit und wir treffen uns am Point . . . nein, ich weiß . . . ich werde nichts anrühren . . . okay . . . sobald Sie können.« Er beendete das Gespräch und schaute auf, während sich Dad einen Weg durch die Menge bahnte.
    »Gut, dich zu sehen, Mac«, sagte Shev. »Warte mal eben.« Er drehte sich um und rief der Gruppe von jungen Männern nach, die in Richtung Strand eilte. »Hey! Moment mal! Einen Moment!«
    Die Männer blieben nicht stehen.
    Dad sah mich an. »Was ist los, Cait? Ist alles in Ordnung mit dir?«
    Ehe ich antworten konnte, nahm Shev ihn am Arm und führte ihn fort, die Straße hinunter. Während sie gingen, redete er schnell auf Dad ein und schaute dabei besorgt zu den jungen Männern, die ihren Schritt beschleunigten und anfingen zu laufen.
    Irgendjemand aus der Menge rief: »Los, schnappt ihn! Schnappt diesen dreckigen Scheißkerl!«
    Ein anderer rief: »Ja, genau! Erteilt ihm eine Lektion.« Und schon fingen alle an die jungen Männer mit dröhnenden Rufen und geschwungenen Fäusten aufzustacheln.
    Shev schaute wütend über die Schulter und einen Augenblick beruhigte sich die Menge. Dann rief er einer der Frauen, die sich um Mr Willington kümmerten, zu: »Es droht eine Sturmflut, Betty, kann sein, dass die Polizei erst mit Verspätungeintrifft. Wenn sie in einer halben Stunde nicht da sind, dann bring Mr Willington in die Bücherei, aber sieh zu, dass auf jeden Fall immer jemand draußen bereitsteht.« Die Frau, die Betty hieß, hob die Hand und nickte. Shev wandte sich an die Menge. »Und ihr – bleibt ganz ruhig und haltet euch raus aus der Sache. Und um Himmels willen haltet euch vom Strand fern.«
    Nach einem letzten funkelnden Blick wandte er sich wieder Dad zu und die beiden eilten den anderen hinterher. Als sie außer Hörweite waren, bekam ich mit, wie jemand sagte: »Scheiß Pakistani – was bildet der sich eigentlich ein? Ist erst so kurz da und glaubt schon, er kann über die ganze Insel bestimmen.«
    Das traf auf ein zustimmendes Gemurmel.
    »Ja, genau.«
    »Und dazu noch dieser Ire da.«
    Ich hatte den Blick gesenkt, aber ich spürte, dass Leute mich ansahen. Ich spürte auch die wachsende Hysterie in ihren Stimmen.
    »Kommen her und nehmen uns die Arbeitsplätze weg   –«
    »Abschaum!«
    »Das ist
unsere
Insel–«
    Sie verloren die Beherrschung.
    »Hol den Lieferwagen, Tully«, rief jemand. »Los, wir gehen auf Zigeunerjagd.«
    Füße setzten sich in Bewegung, Schlüssel klimperten, Autotüren wurden geöffnet.
    Betty sagte: »Jetzt wartet doch, ihr habt doch gehört, was Mr Patel gesagt hat. Die Polizei kommt gleich–«
    Aber niemand hörte mehr zu.
    »Jemand muss hoch auf den Damm und den Weg absperren, damit er nicht wegkann.«
    »Genau.«
    »Es kommt eine Sturmflut – wer immer es tut, schnappt sich am besten ein Boot.«
    »Überprüft den Wald auf der kleinen Insel, treibt ihn raus – am besten, ihr nehmt den alten Jack mit, der kennt sich im Watt aus.«
    »Wer kommt mit?«
    »Jetzt macht schon!«
    Die Menge tobte rings um mich her.

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