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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Ich konnte nichts tun, als den Kopf hängen lassen und das hässliche Gebrüll anhören, die aufheulenden Lieferwagen, die schweren laufenden Schritte, das Aufbrausen aggressiver Stimmen . . .
    Es war jenseits aller Vorstellungskraft.
     
    Ungefähr zehn Minuten später waren fast sämtliche Männer verschwunden und im Dorf wurde es wieder ruhig. Wind kam auf und wirbelte Abfall durch die halb leeren Straßen, die Temperatur sank ziemlich schnell ab. Dunkle Wolken brauten sich in der Ferne zusammen und die Luft roch nach Gewitter.
    Ich schaute mir die Menschen an, die übrig geblieben waren. Einige Gesichter kannte ich nicht und nahm an, sie kämen vom Festland, Leute, die abwarteten, was geschah, aber die meisten waren Einheimische. Von ein paar Jungen abgesehen waren es nur Frauen oder ältere Männer. Simon stand mit seiner Mutter da. Betty und ein paar andere kümmerten sich noch um Mr Willington. Dominic war mit Rita und Billaufgetaucht. Und im Hintergrund schlurften die verbliebenen Standbesitzer zu ihren Buden zurück, um weiter einzupacken. Wie eine dunkle Wolke überschatteten Scham und Ratlosigkeit die Straße. Die Resignation war überall spürbar. In der Art, wie die Menschen gingen, wie sie redeten, wie sie jeden Blickkontakt mieden. Jeder versuchte schon im Gesicht auszudrücken: Das geht mich nichts an. Sie
wussten
, dass das, wovon sie hier Zeuge wurden, falsch war, aber entweder waren sie zu schüchtern oder sie hatten zu viel Angst, um etwas dagegen zu unternehmen.
    Es war ein unglaublich bedrückendes Gefühl.
    Als der Sturm losbrach und sich die ersten Regentropfen in feuchten Flecken auf dem Boden abzeichneten, kam Dominic auf mich zu und legte mir seinen Arm um die Schulter.
    »Komm«, sagte er leise. »Lass uns nach Hause gehen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich bleib hier.«
    »Du kannst nichts tun   –«
    »Es ist Angel«, sagte ich. »Was?«
    »Das Mädchen – es ist Angel.«
    »Woher weißt du das?«
    Ich blickte ihn an. »Ich hab sie vorhin mit Jamie gesehen. Sie waren auf dem Weg zum Strand – ich hab sie
gesehen
, Dom.«
    »Wann?«
    »Ich weiß nicht – ungefähr eine Stunde, nachdem wir ihn mit Sara getroffen hatten. So gegen halb vier, nehme ich an. Sie sind den kleinen Pfad am Ende der Straße runtergegangen.«
    »Zusammen?«
    Ich nickte.
    »Hast du es jemandem erzählt?«
    »Wem denn? Es gibt doch niemanden.«
    »Wo ist Lenny Craine?«
    »In Moulton wahrscheinlich, auf der Suche nach Lucas.«
    Es regnete jetzt ziemlich heftig und Windböen fingen sich lärmend in den Planen der Stände. Die Menschen zogen Mäntel über und kämpften mit Regenschirmen. Ein paar der übrig gebliebenen Besucher vom Festland verzogen sich. Mrs Reed half Betty, Mr Willington wieder auf die Beine zu kriegen und zu dem geschützten Eingang eines Ladens ganz in der Nähe zu führen. Und ich sah Simon und Bill auf den Stufen der Bücherei zusammenstehen.
    Dominic schaute zum Himmel. »Lass uns verschwinden«, sagte er. »Hol du Bill, ich treffe euch dann an Ritas Wagen.«
    »Aber was ist   –«
    »Hier können wir nichts tun. Ich hab Shevs Handynummer. Wenn wir zu Hause sind, ruf ich ihn an und dann telefonier ich mit Lenny und erzähl ihm von Tait.«
    »Und die ganzen Leute, die Lucas suchen?«
    »Mach dir keine Sorgen. Auch das werde ich Lenny erzählen.«
    »Er wird nichts tun.«
    »Doch, er wird. Jetzt komm.« Er schubste mich leicht. »Wir treffen uns am Auto.«
     
    Als wir aus dem Dorf fuhren, barst der Himmel mit einem Donnerknall und Regenfluten stürzten herab. Der scharfe Wind schüttelte den Wagen hin und her und riss an den Ästender Bäume. Die schmalen Straßen standen blitzschnell unter Wasser. Rita fuhr langsam und konzentrierte sich darauf, den Wagen in der Spur zu halten. Ihr Körper war steif, ihr Gesicht angespannt, während sie durch die Wasserwogen starrte, die sich über die Windschutzscheibe ergossen. Wir anderen saßen nur zitternd da in unseren nassen Sachen und horchten auf den Regen, der gegen das Wagendach hämmerte. Niemand sagte etwas. Es gab nichts zu sagen.
    Es war ziemlich viel Verkehr, jede Menge auswärtige Besucher des Sommerfests, die auf dem Heimweg von der Insel waren, aber es überraschte mich, fast genauso viele Wagen in die Gegenrichtung, aufs Dorf zu, fahren zu sehen. Anfangs glaubte ich, es wären so grässliche Schaulustige, die wie die Mücken vom Blutgeruch angezogen werden, aber als wir auf die Kreuzung am Damm zufuhren, merkte ich, dass ich

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