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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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wenn Deefer einem Fremden begegnet: Entweder er rennt auf ihn zu und schlabbert ihn überall ab oder aber er macht sich steif undhält Distanz, wobei er ganz hinten in der Kehle leise knurrt. An jenem Tag tat er keines von beiden. Stattdessen saß er einfach nur da, ganz still und ernst wie ein Buddha-Hund, und starrte Lucas an. So hatte ich ihn noch nie erlebt.
    »Das ist Deefer«, sagte ich zu Lucas. »Normalerweise ist er nicht so schüchtern. Stimmt’s, Deef?«
    Lucas lächelte nur. Deefer stand auf und bewegte sich zu ihm hin, der Schwanz wedelte dabei langsam von einer Seite zur andern. Als Deefer Lucas erreichte, kreiste er einmal um dessen Beine, dann setzte er sich neben ihn. Ich wollte es nicht glauben. Es war, als beobachtete ich einen anderen Hund. Einen wohlerzogenen, ruhigen, gehorsamen. Er hob seinen schweren Kopf, um seinen neuen besten Freund bewundernd anzublicken, und Lucas kraulte ihn beiläufig direkt hinter dem rechten Ohr . . . genau da, wo Deefer es besonders gern hat.
    »Ein toller Hund«, sagte Lucas.
    Er zog die Hand zurück und prüfte wieder seine Schnur. Deefer legte sich zu seinen Füßen und ließ den Kopf auf den Pfoten ruhen.
    Eine Zeit lang schwiegen wir alle drei.
    Lucas holte die Angelschnur ein und befestigte den Köder neu, dann schlang er sie sich um den Arm und warf den Köder wieder in den Tümpel. Deefer hob den Blick, als er das Plopp hörte, doch davon abgesehen rührte er sich nicht. Ich hätte zumindest erwartet, dass er an dem Fleisch schnuppern würde, aber nein, nicht mal ein Zucken. Wenn jemals ein Hund einig mit der Welt wirkte, dann Deefer.
    Ich wischte mir den Schweiß aus den Augenbrauen.
    Die Stille war überraschend angenehm. Ich spürte keinen Zwang, etwas zu sagen, die Pausen zu füllen, Smalltalk zu machen . . . ich war ganz zufrieden, einfach nur dazustehen in der warmen Abendsonne und Lucas zuzuschauen, wie er nach Krebsen angelte. Ich mochte die Art, wie er sich bewegte. Alles geschah in langsamen, weichen Bewegungen, nicht abrupt. Und ganz schlicht. Nichts Auffälliges lag in ihnen.
    O ja, das gefiel mir.
    Seine Stimme hatte keine Spur von Akzent. Nicht dass ich mich auskannte mit so was, aber auf jeden Fall klang seine Stimme kein bisschen wie von hier. Sie war einfach nur sehr schön ruhig, dabei klar und präzise, aber ohne abgehackt zu wirken. Es war eine
angenehme
Stimme, harmonisch und entspannend. Ganz schlicht. Nichts Auffälliges lag in ihr.
    Auch das gefiel mir.
    Ich erinnerte mich daran, wie ich am ersten Tag über ihn nachgedacht hatte, als ich den Strand entlanggelaufen war, kurz vor der Begegnung mit Jamie Tait. Ich erinnerte mich, wie ich mir sein Gesicht ins Gedächtnis zurückgerufen und versucht hatte zu schätzen, wie alt er war. Dreizehn? Achtzehn, neunzehn, zwanzig . . .? Jetzt, wo ich ihn von nahem sah, war es immer noch nicht einfach. Er
wirkte
ziemlich jung. Dieses jungenhafte Gesicht mit der glatten, bartlosen Haut. Diese unschuldigen Augen. Diese hagere, fast unterentwickelte Figur . . .
    Ja, er wirkte sehr jung. Aber er verhielt sich nicht wie die anderen in seinem Alter, die ich kannte. Weder war ihm irgendetwas peinlich noch demonstrierte er übertriebenes Selbstbewusstsein. Er plusterte sich nicht auf und er schmolltenicht. Es gab keinen Hinweis, dass er auch nur das Bedürfnis hatte, etwas
darzustellen
. Er war einfach er selbst, egal, wer er war. Und abgesehen von seiner schmächtig wirkenden Gestalt hatte ich den Eindruck, dass er bestens imstande war, auf sich selbst aufzupassen . . . bestens imstande.
    Wie alt war er also?
    Ungefähr sechzehn vermutlich. Vielleicht jünger.
    Aber das war nicht wichtig.
    Ich rückte zu ihm hin und ließ mich auf einer Erhebung neben dem Tümpel nieder. Der Tümpel war etwa vier Meter lang und zwei Meter breit, mit steilem, fast senkrecht abfallendem Ufer. Das Wasser war tief und klar. Am Grund konnte ich mehrere große Steine im Schlammboden erkennen. Dort hielten sich die Krebse auf.
    Lucas stand über mir an der angrenzenden Seite.
    »Was benutzt du als Köder?«, fragte ich ihn.
    »Huhn.«
    »Eins von Joes?«
    Er lächelte. »Speck wollte er nicht rausrücken.«
    Ich sah zu, wie er die Angelschnur warf und nach den Schatten der Steine zielte.
    »Geht es mit Speck besser?«
    »Manchmal«, antwortete er. »Hängt vom Krebs ab. Manche sind wählerisch. Gestern habe ich es mit Fischköpfen probiert, aber davon wollten sie nichts wissen.«
    »Kann man nachvollziehen.«
    Er zog an der

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