Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
Vom Netzwerk:
überlegt, dass es dasselbe Empfinden sein musste, wie Tiere es haben – wenn zum Beispiel Vögel wissen, dass es an der Zeit ist, nach Süden zu ziehen, wenn Hunde wissen, dass ein Gewitter naht, wenn Ameisen wissen, dass der Zeitpunkt zum Fliegen gekommen ist. Sie wissen nicht,
wieso
sie diese Dinge wissen, und sie wissen auch nicht, was die Dinge bedeuten. Das Einzige, was sie wissen, ist: Wenn das Gefühl da ist, musst du entsprechend handeln.
    Lucas versuchte mich nur zu warnen, das war alles.
    Aber ich glaube, er wusste, dass die Warnung nichts bringen würde. Die Zukunft ist schon da, sie lässt sich nicht ändern.
     
    »Es tut mir Leid«, sagte er. »Ich hätte dir das nicht sagen sollen.«
    »Wieso nicht?«
    »Manche Dinge bleiben am besten ungesagt. Es tut mir Leid.«
    Traurigkeit hatte sein Gesicht verdunkelt, sein Blick erinnerte mich an Dad. Es war dieser unverhüllte Blick der Trauer, der Blick eines Menschen, der sich alleine glaubt. Ich mochte diesen Blick nicht – er stand ihm zu gut.
    »Und ich?«, sagte ich. »Hatte ich denn ein Gesicht?«
    Er sah mich an. »O ja. Deins war wütend und traurig. Und verwirrt.«
    »Ja?« Ich grinste. Wieso, weiß ich nicht. Was er mir überAngel erzählt hatte, war beängstigend, so beängstigend, dass es Lucas bis tief in die Seele traurig machte. Und ich grinste dazu wie ein Idiot.
    Sehr reif.
    Lucas schien das nichts auszumachen. Wenigstens wirkte er nicht mehr so traurig.
    »Also«, sagte ich leichthin, »was weißt du noch, geheimnisvoller Mann? Was hatte ich an dem Tag gefrühstückt?«
    »Von dort, wo ich stand, roch es wie Apfelwein.«
    Ich starrte ihn an. »Du rätst doch nur, stimmt’s? Wahrscheinlich hast du gesehen, dass Bill sich übergeben musste – ja, genau. Du hast gesehen, wie Bill gebrochen hat, also hast du gedacht, sie ist betrunken, und daraus geschlossen, dass auch ich was getrunken habe. Genau, stimmt’s?«
    Er lächelte. »Aber woher weiß ich dann, dass du
Apfelwein
getrunken hattest?«
    »Weil es das ist, was Mädchen nun mal trinken. Es liegt einfach nahe. Jeder weiß das.«
    Er lachte. Es war ein sanftes, leichtes Lachen.
    Die Traurigkeit war verschwunden.
    Ich griff nach der Wasserflasche und trank noch mal. Der Geschmack nach Kupfer hinten in der Kehle war jetzt auch verschwunden. Es fiel mir schwer zu glauben, dass er je da gewesen war.
    Lucas zog seine Boots an, dann stand er auf und ging hinüber zu dem Sandbuckel auf der anderen Seite des Tümpels. Er stieg hinauf und schaute über den Strand, die Arme lässig hinter dem Rücken verschränkt. Eine leichte Brise zerzauste sein Haar. Es wurde Abend und begann abzukühlen.Ein paar Wolken waren in der Ferne aufgetaucht und jagten über den Horizont wie weiße Steppenläufer.
    »Das mit Angel«, sagte ich. »Was, glaubst du, bedeutet es?«
    »Wahrscheinlich nichts«, sagte er und trat wieder von dem Sandbuckel herunter. »Vielleicht ist es nur ein Hinweis, vorsichtig zu sein. Ihr aus dem Weg zu gehen, die Augen offen zu halten.« Er kam herüber zu dem Gezeitentümpel und hob seine Tasche auf. »Du magst sie nicht, stimmt’s?«
    »Wen   – Angel?«
    Er nickte.
    »Ich kann sie nicht ausstehen«, antwortete ich.
    »Dann wäre es also kein Problem, auf Distanz zu gehen?«
    »Überhaupt keins.«
    Er schulterte seine Tasche. »Okay«, sagte er. »Das ist gut.«
    Ich stand auf. »Gehst du?«
    »Ich muss ein paar Dinge erledigen.«
    Deefer saß noch am Tümpel. Er sah Lucas an. Lucas machte mit dem Kopf nur eine winzige Bewegung zur Seite und der Hund erhob sich. Er trottete zu mir und wedelte mit dem Schwanz, als hätte er mich eine Woche lang nicht gesehen.
    »Hallo, Fremder«, sagte ich.
    Er warf mir einen abschätzigen Blick zu.
    Lucas sagte: »Also dann, es war schön, dich kennen zu lernen, Cait.«
    »Ja«, sagte ich. »Ja . . . danke.«
    Mit einem letzten Kopfnicken und einem Lächeln entfernte er sich auf einem Pfad, von dem ich nicht einmal wusste, dass es ihn gab.
    Ich hätte es dabei bewenden lassen sollen. Ich hätte meinenMund halten und einfach nur zusehen sollen, wie er sich entfernte, aber natürlich gelang mir das nicht.
    Ich rief ihm hinterher: »Bleibst du länger?«
    Er blieb stehen und schaute zu mir zurück.
    Ich spürte, wie ich rot wurde. »Hier auf der Insel, meine ich . . . bleibst du . . .«
    Ich hatte nicht richtig darüber nachgedacht.
    »Also, wenn du morgen noch da bist . . . und wenn du sonst nichts vorhast . . . da gibt es die Regatta . .

Weitere Kostenlose Bücher