Lucas
Handtuch, ein Fernglas und vier Dosen Guinness eingepackt.
Und in Dads Gesäßtasche zeichnete sich ein Flachmann ab.
Ich hatte, ehe wir aufbrachen, noch einmal bei Simon angerufen, doch niemand hob ab. Ich erwartete nicht, dass ich ihn bei der Regatta treffen würde, eigentlich war mir dieser Gedanke auch vorher nie gekommen. Wie er selber sagte, es war nicht sein Ding. Lucas dagegen . . . na ja, bei Lucas wusste ich nicht genau. Einerseits hoffte ich unbedingt, dass er aufkreuzen würde, andererseits nicht. Natürlich
wollte
ich ihn wiedersehen. Ich wollte ihm all die Fragen stellen, die ich beim letzten Mal vergessen hatte. Ich wollte wissen, wer er war und woher er kam. Ich wollte wissen, was er wirklich mit seiner Bemerkung über Angel gemeint hatte . . . was er in seiner Leinentasche trug . . . wo er gelernt hatte Krebse zu fangen . . .
Ja, ich wollte ihn wiedersehen.
Aber ich war mir nicht sicher, ob ich ihn treffen wollte, wenn lauter Leute drum herum standen. Nicht weil ich irgendwelche Hintergedanken hatte, das will ich gleich klarstellen, und auch nicht, um zu verhindern, dass jemand anderes von ihm erfuhr. Zugegeben, ich
wollte
nicht, dass jemand anderes von ihm erfuhr. Aber das war nicht der entscheidende Grund. Der entscheidende Grund, weshalb ich niemanden dabeihaben wollte, wenn ich Lucas traf, war, dass ich es rein halten wollte. Was
es
war – Freundschaft, Seelenverwandtschaft, geistige Nähe –, wusste ich nicht. Es war auch egal. Jedenfalls sollte es nicht beschmutzt werden.
Es ging dabei nur um mich, Lucas und vielleicht noch um Deefer. Aber um niemanden sonst.
Als wir die schmale Bucht überquerten und auf den Pfad einschwenkten, schaute ich kurz über die Schulter in Richtung Watt und Wald. Dunkle Wolken brauten sich in der Ferne zusammen und trübten den Himmel über dem Wald zu einer hässlich gelben Tünche, dass die Bäume davor plötzlich aussahen wie ein Hexenwald.
»Komm«, sagte Dad. »Lass uns da sein, bevor es anfängt zu regnen.«
Wir gingen weiter und ich richtete meine Gedanken wieder auf Lucas. Was, wenn er
tatsächlich
bei der Regatta auftaucht?, fragte ich mich. Wie verhältst du dich dann? Du kannst ihn ja nicht einfach ignorieren. Oder so tun, als würdest du ihn nicht kennen. Also gut, dann stehen eben Leute drum rum – was soll’s? Ist das so schlimm? Denk doch mal drüber nach. Man kann nie wissen, vielleicht ist es ja auch ganz schön . . .
»Hey.«
Ich schaute auf, als ich plötzlich Dads Stimme hörte. Er war stehen geblieben und schaute mich belustigt an.
»Was ist?«, fragte ich.
»Du führst Selbstgespräche.«
»Ja?«
Er nickte lächelnd. »Wenn ich du wäre, würd ich ein bisschen drauf achten – sonst bringst du dich über kurz oder lang mal in arge Verlegenheit.«
Ich spürte, wie ich rot wurde.
»Nur gut, dass ich nie zuhöre, wenn du was sagst«, fügte er hinzu. »Egal, was du Schlimmes gemurmelt hast, ich binnicht klüger als vorher. Aber andere sind vielleicht nicht so ignorant.«
»Ignorant?«
»Das kannst du so oder so verstehen.«
»Was soll das heißen?
»Na ja – halt die Augen auf, aber lass den Mund zu, denn die Welt ist voller Idioten mit bösem Mundwerk. Und jetzt komm, lass uns weitergehen.«
Er wandte sich um und schritt weiter den Pfad entlang.
Wenn man bedachte, wie viel Kummer er wegen Dominic hatte, war er eigentlich ganz guter Stimmung. Sein Äußeres wirkte allerdings ganz schön heruntergekommen. Er trug seine alten Khakishorts, die von einem langen Ledergürtel gehalten wurden, einen reichlich abgetragenen Strohhut und ein Paar schmutzige alte Sandalen. Sein Bart musste dringend mal wieder geschnitten werden und seine Augen waren müde und blutunterlaufen.
Ich holte ihn ein und ging an seiner Seite.
»Dad?«, sagte ich ruhig.
»Hmm?«
»Hast du seit neulich noch mal mit Dominic gesprochen?«
»Seit wann?«
»Das weißt du doch. Seit eurem Streit – in der Küche.«
Er seufzte schwer und sah mich an. »Ich hab mich wohl ziemlich zum Affen gemacht, was?«
Ich lächelte. »Yep.«
»Es ging nicht anders«, erwiderte er. »Ich hab ja versucht meinen Mund zu halten, aber manchmal kann er einen
zur Weißglut
bringen.«
»Das kenn ich.«
»Nicht dass er ein Idiot wäre. Er weiß genau, was er tut.«
Ich sah ihn an. »Wie meinst du das?«
»Wenn er mit Tait und den anderen rumhängt . . . weißt du, ich hab ihn bei Brendell gesehen.«
»Bei Lee Brendell?«
Er nickte. »Dom war auf seinem Boot.
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