Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
Vom Netzwerk:
als ein Moment sein. Und dies war genau so ein Moment.

Sieben
    D ad wartete schon in der Küche, als ich zurückkam. Er saß mit einem Glas Whiskey und einer Zigarette am Tisch und las in einem eselsohrigen Exemplar des
Ulysses
.
    »Hast du ihn erwischt?«, fragte er zwanglos, als ich hereinkam.
    Mein Herz schlug schnell, als ich mit knappen Worten erklärte, wie ich Lucas am Point eingeholt, mit ihm geredet und er mich gebeten hatte seinen Dank auszurichten. Dann fragte ich, ehe Dad eine Chance hatte, weiter nachzubohren, wie es mit der Frau von den Klippen gelaufen sei.
    »Nicht besonders, fürchte ich. Sie heißt Ellen Coombe und ist eine von den Leuten, die die Wahrheit nicht sehen wollen, selbst wenn sie ihnen in die Augen sticht. Ich habe ihr
gesagt
, wie es war, aber sie hat überhaupt nicht zugehört. Nicht mal auf ihr verdammtes eigenes Kind wollte sie hören.«
    »Wie geht es dem Mädchen?«
    »Ist noch ein bisschen durcheinander, aber ansonsten gut. Sie heißt Kylie.« Er drückte seine Zigarette aus. »Das Kind hat die ganze Zeit auf seine Mum eingeredet –
er hat mich gerettet, der Junge hat mich gerettet
–, aber seine Mutter wollte davonnichts wissen. Um ehrlich zu sein, ich glaube, es interessierte sie gar nicht. Sie hat ihr Kind nicht ein einziges Mal gefragt, ob es ihm gut ging oder so, sondern das Mädchen noch angeschrien, als es jemanden beschuldigte, der Derek hieß. Ich nehme an, der war für das Floß verantwortlich. Verflucht armes Kind . . . das Einzige, was die Frau zu interessieren scheint, ist, wie sie Ärger machen kann.«
    »Meinst du, sie wird zur Polizei gehen?«
    Dad nickte. »Hab schon mit Lenny drüber gesprochen. Ich hab ihn gleich angerufen und alles erklärt. Auch, dass wir jederzeit bereit sind eine Aussage zu machen. Er meinte, er klärt das, es dürfte eigentlich kein Problem sein.«
    Lenny Crane ist der örtliche Polizeimeister. Er ist es schon länger, als die meisten zurückdenken können. Lenny war bereits da, als Mum und Dad herzogen, und er ist vielleicht der, den man auf der Insel am ehesten als einen Freund von Dad bezeichnen könnte. Er hat viel geholfen, nachdem Mum tot war . . . vor allem, Dad aus allem Ärger rauszuhalten. Gelegentlich treffen sich die beiden zu einem ruhigen Abend und ein, zwei oder auch schon mal drei Drinks. Und ab und zu gehen sie zusammen angeln. Jedenfalls nennen sie es so. So wie ich es sehe, sitzen sie aber bloß einfach im Boot und trinken Bier.
    »Was ist mit den andern?«, fragte ich.
    »Welchen andern?«
    »Den andern Zeugen. Muss Lenny auch ihre Aussagen einholen?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich hängt das von Mrs Coombe ab, davon, ob sie Anzeige erstattet oder nicht.«
    »
Anzeige
erstattet?«
    »Hey, mach dir keine Sorgen. Alles wird gut. Lenny ist ein erfahrener Mann, er wird die Sache schon unter Kontrolle halten.«
    Ich schüttelte den Kopf. Lucas hatte Recht, ich konnte bereits spüren, wie sich die Gerüchte verbreiteten.
    »Wie auch immer«, sagte Dad und nahm einen Schluck Whiskey. »Kommen wir zurück zu dir und diesem Wunderknaben.«
    »Er ist kein Wunderknabe, er ist einfach ein
Junge
. . .«
    Dad lächelte nachdenklich. »Erzähl mir von ihm.«
    »Was willst du wissen?«
    »Woher kommt er?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Wie alt ist er?«
    »Fünfzehn oder sechzehn, glaube ich.«
    »Was macht er auf der Insel?«
    »Keine Ahnung . . . nichts Bestimmtes. Ab und zu nimmt er ein bisschen Arbeit an und dann . . . er ist nur auf der Durchreise.«
    »Ein Aussteiger?«
    »Kann sein.«
    »Ein ehrlicher Landstreicher also?«
    »Er ist kein
Landstreicher
. Er ist sauber, er ist intelligent   –«
    »Habe ich irgendwas gegen Landstreicher gesagt? Ich
mag
Landstreicher.«
    »Er ist aber kein Landstreicher.«
    »Was dann?«
    Ich seufzte. »Einfach ein Mensch.«
    »Na schön, einverstanden.« Er zündete sich eine Zigarettean und musterte mich durch den Rauch. »Und wie findest du diesen Menschen?«
    »Er ist interessant.«
    »Inwiefern?«
    »Ich weiß nicht – es ist einfach so. Schau mal.« Ich grub die geschnitzte Figur aus meiner Tasche und reichte sie ihm. »Die hat er gemacht.«
    Dad untersuchte sie vorsichtig, betrachtete sie von allen Seiten und rieb mit dem Daumen über die Oberfläche, genau wie ich es getan hatte. Nach einer Weile fragte er: »Soll das der sein, den ich darin zu erkennen glaube?«
    Ich nickte. »Ist gut, nicht?«
    »Sehr gut . . . wirklich, sehr gut.« Er reichte mir die Figur zurück. »Und Lucas hatte

Weitere Kostenlose Bücher