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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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sie einfach so dabei?«
    »Ja – klar.«
    »Ich verstehe.«
    »Er hat deine Bücher gelesen   –«
    »Lenk nicht ab.«
    »Was? Tu ich doch gar nicht . . . ich hab dir nur gesagt   –«
    »Kein Grund, dich aufzuregen. Ich nehme bloß meine Rolle ein. Ich bin nämlich dein Vater, ich muss heikle Fragen stellen – das gehört nun mal zu meinen Aufgaben.«
    »Ich reg mich nicht auf.«
    »Du könntest mich getäuscht haben.«
    »All diese Fragen – das ist ja peinlich.«
    »Das ist der Sinn der Sache. Also, lass mich festhalten: Du willst mir sagen, dass du die letzten . . .«, er schaute auf seine Uhr, ». . . die letzten drei Stunden am Strand gestanden und dich mit Lucas unterhalten hast?«
    »Wir haben gesessen.«
    »Drei Stunden?«
    Ich zuckte die Schultern. »Wir haben geredet.«
    Er sah mich lange an. Sein Blick war nicht drohend, nicht einmal bohrend, es war ein Blick, der sagte:
Das hier sind wir, du und ich, es ist alles, was wir haben. Du darfst mich nicht anlügen.
    Ich log ihn nicht gern an. Ich hasste mich dafür. Aber es schien, als hätte ich keine andere Wahl. Und außerdem hörte ich in meinem Kopf das Echo von Lucas’ Stimme:
    Was wirst du ihm erzählen?
    Worüber?
    Über mich.
    Ich werde ihm einfach die Wahrheit sagen.
    Eines Tages wirst du das . . .
    Ich hatte damals nicht verstanden, was er meinte, aber jetzt, glaube ich, weiß ich es. Ich glaube, er meinte genau das – diese Geschichte. Das hier ist mein
eines Tages
. Es ist meine Wahrheit. Ich glaube, ich wusste auch damals schon, dass es irgendwann rauskommen würde und dass Dad, wenn es mal so weit war, mich verstünde. Und ich denke, Dad wusste das auch.
    »Okay«, sagte er mit einem Lächeln. »Ich werde dir keine weiteren peinlichen Fragen stellen.« Er trank das Glas Whiskey leer. »Aber sei vorsichtig, Cait. Ja? Bitte, sei sehr, sehr vorsichtig.«
    Ich nickte. Meine Kehle war zu eng, um irgendein Wort rauszubringen.
    Dad stand auf und spülte sein Glas im Waschbecken aus.Mit dem Rücken zu mir sagte er: »Es ist genug heißes Wasser da, wenn du baden willst.«
    »Ich hab heute Morgen gebadet.«
    »Aber heute Morgen roch dein Haar nicht nach Holzrauch.«
     
    Am nächsten Tag erwischte ich Simon endlich am Telefon und entschuldigte mich, dass ich ihn am Freitag versetzt hatte. Er schien es verkraftet zu haben, obwohl ich einen leicht argwöhnischen Ton in seiner Stimme wahrnahm. Das war ja auch nur verständlich. Ich hatte ihn enttäuscht, ich hatte ihn gedemütigt, es war sein gutes Recht, argwöhnisch zu sein.
    Wir redeten eine Weile über alles Mögliche, hauptsächlich über Tierschutzbund-Kram. Ich gab mir Mühe, interessiert zu klingen, aber Simon ist kein besonders packender Erzähler, deshalb wanderten meine Gedanken, während er weiter über die jüngsten Entwicklungen in Sachen Öltanker und Wohnwagenpark redete, zurück zu dem, was Lucas geantwortet hatte, als ich meinte:
Wenn die Leute nicht so gierig gewesen wären, gäbe es auch jetzt noch Austern
. –
Für wen?
, hatte er gefragt. Ich hatte in dem Moment gedacht, es wäre nur eine schnodderige Bemerkung, aber jetzt war ich mir nicht mehr so sicher. Die zwei kleinen Wörter hatten mich nachdenklich gemacht und ich fing an mir Fragen zu stellen, an die ich zuvor nicht mal gedacht hatte: Für wen versuchen wir eigentlich unseren Planeten zu retten? Für uns? Für unsere Kinder? Für unsere Kindeskinder? Ist das nicht unglaublich egoistisch? Eingebildet? Selbstverliebt? Und wenn wirdie Erde
nicht
um unserer selbst willen versuchen zu retten, warum
tun
wir es dann? Welches Recht haben wir, über das Schicksal einer jeden Gegebenheit zu entscheiden? Wer sind wir, dass wir erklären, ein Wal ist wertvoller als eine Mücke, ein Gorilla wichtiger als eine Fliege, ein Pandabär hat ein größeres Recht auf Leben als eine Ratte? Warum
spielt
es eine Rolle, ob wir die Austern bis zur allerletzten aus dem Meer holen? Sie sterben doch sowieso, oder? Bewegt sich nicht alles ständig im Kreis und ändert sich niemals wirklich . . .?
    Es waren nur Fragen. Antworten besaß ich nicht.
    Simon hatte von dem Ereignis an den Klippen gehört. Sein Vater hatte es von jemandem im Pub erfahren und der hatte es von einem, dessen Bruder jemanden kannte, der tatsächlich
dort
gewesen war – dass die kleine Kylie Coombe vom Floß ins Wasser gesprungen sei, um ein paar Jungen am Strand zu imponieren.
    »Das ist doch Unsinn«, sagte ich. »Sie ist vom Floß gestürzt. Ich war da, Simon, ich hab

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