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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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was tatsächlich passiert ist.«
    Dad runzelte die Stirn. »Ich hab dir
gesagt
, was passiert ist. Das Mädchen war kurz davor zu ertrinken, Lenny. Lucas ist ins Wasser gesprungen und hat sie rausgezogen. So einfach war das.«
    »Nach Ansicht einiger anderer Zeugen nicht.«
    »Wessen denn?«
    »Ellen Coombes Ansicht zum Beispiel.«
    »Aber sie hat überhaupt nichts
gesehen
. Sie ist ja erst dazugekommen, als Lucas Kylie schon aus dem Wasser hatte. Sie hat ihn mit ihrer Tochter entdeckt, sie hat gesehen, in welchem Zustand das Mädchen war, und hat daraus die falschen Schlüsse gezogen. Lucas hat doch nur versucht das Mädchen wieder anständig aussehen zu lassen.«
    Lenny trank einen Schluck Bier und sah mich an. »Hast du das auch so gesehen?«
    »Genau so ist es
gewesen
«, antwortete ich ihm.
    Dad seufzte. »Ich sehe nicht, wo das Problem ist, Len.«
    »Das Problem ist, dass ich ein halbes Dutzend Zeugen habe, die Ellen Coombes Version der Ereignisse bestätigen.«
    »Tja, dann lügen sie«, stellte Dad ganz einfach fest. »Entweder das oder sie sind blind. Wer ist es denn?«
    Lenny antwortete nicht sofort. Er holte tief Luft, ließ seinen Kopf nach hinten kreisen und starrte zur Decke. Ich wusste, was kommen würde, und trotzdem, als er schließlich wieder ausatmete und anfing zu sprechen, war ich schockiert, die Namen zu hören.
    »Jamie Tait«, sagte er. »Bill Gray, Robbie und Angel Dean, Sara Toms . . .«
    »Um Himmels
willen
«, sagte Dad ärgerlich.
    »Sie waren dort, Mac. Ich hab es überprüft. Sie haben gesehen, was passiert ist.«
    »Ich
weiß
, dass sie da waren«, sagte Dad verächtlich. »Sie haben auf den Felsen rumgehangen und sich vor Langeweile in die Hose gepisst, während Kylie Coombe beinah ertrunken wäre.«
    »John   –«
    »Tait ist der geborene Lügner, Lenny. Genau wie sein Vater. Sie sind alle Lügner. Und das
weißt
du.«
    »Beruhige dich, John. Bleib ganz locker.«
    Dad starrte ihn an. Sein Gesicht war angespannt, seine Augen glühten. Einen Moment dachte ich, er würde gleich platzen, aber nach einer Weile lösten sich seine Züge wieder und ich sah, wie die Wut aus seinen Augen verschwand. Er atmete langsam aus und steckte sich eine Zigarette an.
    »Also gut«, sagte er ruhig. »Wie lautet
ihre
Version?«
    Lenny wirkte verlegen. »Na ja . . . so wie sie es gesehen haben, sprang Kylie, als das Floß gerade die Boje erreichte. Sie stürzte nicht, sondern sie sprang. Sie drohte nicht zu ertrinken, sondern schwamm einfach nur.« Er hustete nervös. »Sie behaupten, der Junge sei ins Wasser gesprungen und ihr hinterher und habe sie schließlich auf den Strand gezerrt   –«
    »Das ist doch Schwachsinn«, sagte Dad.
    »Mr Hanson hat bestätigt, dass sie ins Wasser gesprungen ist. Ebenso seine beiden Jungs.«
    »Wer, verflucht noch mal, ist Mr Hanson?«
    »Derek Hanson – ein Freund von Mrs Coombe. Es war Dereks Floß.«
    »Was heißt denn Freund?«
    »Keine Ahnung   – Ellen ist geschieden. Ich nehme an, er ist ihr Neuer.«
    »Dann muss er ja geradezu lügen, oder?«, schnaubte Dad. »Was ist mit Kylie? Was hat sie dazu zu sagen?«
    »Sie behauptet, sie könnte sich nicht mehr erinnern.«
    Dad wurde wieder zornig. »Das ist
lächerlich
. Warum sollte jemand ins Meer springen, ein Mädchen aus dem Wasser zerren und sie dann vor fünfzig Zeugen belästigen? Das ist doch eine völlig bescheuerte, groteske Idee.«
    »Ich weiß.«
    »Wieso hörst du dir diese Idioten dann überhaupt an?«
    Lenny antwortete nicht.
    Dad fragte: »Was ist mit den ganzen andern? Was haben die zu sagen?«
    »Nicht viel. Ein paar sagen das Gleiche wie du. Andere unterstützen Tait und den Rest. Die meisten wollen sich nicht festlegen. Entweder haben sie nichts gesehen oder alles ging zu schnell oder sie können sich nicht erinnern . . . du weißt doch, wie das immer ist.«
    »Ja . . . es ist erbärmlich.«
    Ich stand vom Tisch auf und ging zur Spüle, um mein Gesicht zu waschen. Ich fühlte mich ganz heiß. Heiß und verschwitzt und flatterig. Alles verwandelte sich plötzlich in eine Hölle, genau wie Lucas es vorhergesagt hatte:
Die Menschen mögen es nicht, wenn sie nicht wissen, wer du bist. Sie mö
gen
nicht, wenn etwas nicht in ihr Schema passt. So was erschreckt sie. Sie würden es lieber mit einem Monster aushalten, das sie kennen, als mit einem Geheimnis, das sie nicht kennen . . .
    Am Tisch stritt Dad immer noch mit Lenny herum.
    »Du kannst doch den ganzen Schwachsinn unmöglich
glauben
. Du hast

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