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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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sein.«
    Er nickte nachdenklich. »Ich hab mich schon gewundert, warum Joe so wild darauf war, mir Arbeit zu geben.«
    »Die Farm gehört Jamies Vater. Ich kann mir vorstellen, sie haben ihn unter Druck gesetzt.«
    »Oder ihm Geld auf die Hand gegeben.«
    »Joe wird gar nicht wissen, warum sie dich kriegen wollen. Ich meine, er ist nicht der Schlechteste . . . Ich ruf ihn an und erklär ihm, wieso du nicht kommen kannst. Er wird das verstehen.«
    »Das musst du nicht.«
    »Es macht mir nichts aus.«
    »Ich brauch das Geld, Cait.«
    »Wie meinst du das?«
    Er hob ein Bein in die Luft und wackelte mit dem Fuß. »Ich brauch neue Boots. Schau mal.« Er zog an einem Stück losem Leder. »Die hier fallen schon auseinander.«
    »Wie? Du
gehst
doch nicht etwa trotzdem?«
    »Ich brauch das Geld.«
    »Aber was ist mit Tait und Brendell? Das ist kein Spiel, Lucas. Die albern nicht bloß ein bisschen rum. Die sind gefährlich, vor allem Brendell. Du wirst im Krankenhaus landen.«
    »Das werden wir ja sehen.«
    Ich runzelte die Stirn. »Was ist
los
mit dir? Du hast gesagt, du wirst sowieso die Insel verlassen. Warum verschwindest du dann nicht, bevor es zu spät ist?«
    Er sah mich an. »Ich dachte, du wolltest, dass ich am Samstag zum Fest komme.«
    »Natürlich will ich das«, antwortete ich. »Aber mit zwei gebrochenen Beinen wirst du es ja wohl kaum schaffen, oder?Pass auf, ich kann dir Geld geben, wenn du neue Boots brauchst. Ich
kauf
dir die verdammten Boots.«
    »Du weißt meine Schuhgröße nicht.«
    »O
Mann . . .«
    Die Erregung in meiner Stimme überraschte mich und ich glaube, Lucas auch. Er sah mich einen Moment an, öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, dann überlegte er es sich anders und schaute weg. Auf einmal wirkte die Luft sehr still. Ich wollte etwas sagen . . . irgendwas. Aber ich konnte nicht. Ich konnte kaum atmen, geschweige denn sprechen. Die Stille war erdrückend.
    »Schau mich an«, sagte Lucas schließlich.
    Ich sah ihn an.
    Er sprach ruhig. »Sie können mich nicht verletzen, Cait. Es ist ganz einfach. Sie können mich nicht verletzen, deshalb gibt es auch nichts, wovor man Angst haben muss.«
    »Das versteh ich nicht.«
    »Vertrau mir einfach. Es wird alles gut.«
    Ich sah ihm in die Augen. »Warum? Warum können sie dich nicht verletzen?«
    »Es gibt nichts zu verletzen.«
    Ich fand keine Antwort darauf, deshalb drehte ich mich einfach weg und starrte düster zu Boden. Ein kleiner schwarzer Käfer krabbelte im Gras herum. Ich beobachtete ihn und fragte mich, was er vorhatte und wohin er wollte. Hatte er einen Plan? Wusste
er
, was er tat? Dachte er über irgendwas nach? War er sich meiner Aufmerksamkeit bewusst? Ich bezweifelte es.
    »Sei nicht böse«, sagte Lucas leise.
    Ich atmete langsam ein, während ich immer noch zu Boden starrte. Ich roch den Schweiß auf seiner Haut. Es war ein angenehmer Geruch. Angenehm, sauber und erdig. Ich schaute auf. Lucas lächelte mich an. Er hob die Hand, um sich übers Gesicht zu wischen, und einen Augenblick dachte ich, er würde sie ausstrecken und mich berühren, nur ein freundlicher Klaps auf die Schulter oder so – aber er tat es nicht.
    »Ich geh jetzt mal lieber«, sagte ich und stand auf. »Ein Freund will vorbeikommen und mich treffen. Wahrscheinlich bin ich sowieso schon zu spät.«
    Lucas erhob sich.
    Ich schaute ihn wieder an und zum ersten Mal sah ich ihn als das, was er wirklich war, ein eher klein gewachsener, nicht sonderlich kräftiger Junge.
    Ich sagte: »Du weißt, was morgen passiert, stimmt’s?«
    Er nickte.
    »Und du machst dir keine Sorgen?«
    Er zuckte die Schultern. »Es wird sowieso geschehen.«
    »Pass auf dich auf, Lucas.«
    »Du auch auf dich.«
    Wir standen noch einen Moment da und sahen uns an, dann drehte ich mich um und ging.

Elf
    A ls ich zurückkam, hatte ich gerade noch Zeit, schnell zu duschen und mich umzuziehen, ehe es läutete. Ich streifte noch ein sauberes weißes T-Shirt über, dann lief ich die Treppe hinunter und öffnete die Tür. Simon wollte gerade die Hand heben und den Klingelknopf ein zweites Mal drücken. Als er mich sah, zog er sie schnell zurück und fiel fast von der Treppe. Es war einer dieser dunstigen, feuchten Abende, an denen die Luft von der Hitze so schwer ist, dass selbst das Atmen fast unmöglich scheint, doch Simon war angezogen, als wäre es Winter. Langer schwarzer Mantel, ein abgetragener alter Filzhut, dazu einen ausgeleierten Rucksack über die Schulter geschlungen. Mehrere

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