Luciano
Maschinen, die in Reih und Glied im
Freien stan den, und Gesichter, viele aufwärtsgerichtete
Gesichter. Er blickte hoch und sah Maria über sich, und seitlich
von ihm, etwa sechzig bis siebzig Meter entfernt, bemerkte er Carter.
Dann wurde der Flugplatz größer und schien blitzschnell auf
ihn zuzukommen. Er prallte hart auf, überschlug sich und stand
dann wie durch ein Wunder auf den Füßen. Da fast
völlige Windstille herrschte, war der Fallschirm kein Problem. Als
er sich umwandte und die Gurte löste, sah er, daß Maria
ungefähr in zwanzig Meter Entfernung ebenfalls gelandet war.
Noch ein Stück hinter ihr kam
Carter herunter. Er vollführte eine perfekte Rolle, denn es war
bereits sein fünfzehnter Ab sprung, und stand auf den
Füßen. Als er sich von den Gurten befreit hatte, sah er
Luciano zu Maria laufen, die noch immer, über ihren Fallschirm
gebeugt, unbeweglich auf dem Boden kauerte.
Carter rannte voller Schrecken zu den
beiden hinüber, aber ehe er sie erreichte, hatte Luciano schon
kehrtgemacht und kam ihm entgegen. Er lächelte.
»Ist ihr etwas passiert?« rief Carter.
»Nicht die Bohne.« Luciano fischte ein zerknittertes Päck
chen Zigaretten aus der Tasche und zündete sich eine an. »Was macht sie denn?«
»Nichts. Zwei Ave Maria und
drei Vaterunser für eine glück liche Landung oder so was
Ähnliches.« Er bot Carter eine Zi garette an. »War
wirklich toll. Das müssen wir bald mal wieder machen.«
»Worauf Sie sich verlassen können, Mister Luciano«, sagte Carter. »Sehr bald.«
Bransby Abbey lag unweit von Alderley Edge, einem
der schönsten Teile von Cheshire, und etwa sechzehn Kilometer vom
Flugplatz Ringway entfernt. Das Haus stammte aus dem vierzehnten
Jahrhundert, war jedoch um achtzehnhundertfünf zig herum fast
vollständig umgebaut worden. Den grauen Sandsteinbau umzog eine
hohe Mauer. Bransby gehörte zu den sicheren Häusern von SOE.
Dort konnten Agenten auf Son dereinsätze vorbereitet werden oder
kurzfristig eine Blitzaus bildung erhalten.
Am Nachmittag des folgenden Tages
unternahmen Luciano und Carter einen Geländelauf. Die Strecke, die
durch den Wald führte, war ein Gefechtslehrpfad mit Abfangnetzen,
Stolpersei len, die zwischen den Bäumen gespannt waren, und
ähnlichen Fallen. Trotz des Regens machte Luciano die Sache
Spaß. Er trug eine anliegende Mütze und einen Drillichanzug
und war bald von Regen und Schmutz durchnäßt.
Er kroch durch einen
Stacheldrahtverhau, allein, denn Carter hatte er irgendwo im Wald
verloren. Als er wieder aufstand, rief eine Stimme:
»He, Sie dort unten!«
Luciano blickte auf und sah auf dem
Hügel einen Offizier der United States Army stehen. Der Offizier
trug eine Feldmüt ze und auf dem Trenchcoat die Rangabzeichen
eines Captain. »Ich habe mit Ihnen zu reden.«
Es war weniger eine Aufforderung als
ein strikter Befehl und in der schönsten Bostoner Aussprache
erteilt, die man sich im allgemeinen nur in Neu-England und nirgends
sonst in Ameri ka aneignen kann. Luciano mochte diese Art Stimmen
nicht, hatte sie nie gemocht, also gab er einfach keine Antwort.
»Ich spreche mit Ihnen, Soldat.«
»Großartig«, sagte Luciano. »Freut mich für Sie.«
Dann fiel eine Hand auf seine
Schulter, und eine Stimme, die geradewegs aus dem östlichen New
York kam, sagte: »Wenn der Captain spricht, dann antworten Sie,
verstanden!«
Luciano blickte über seine
Schulter und sah sich im festen Griff eines Sergeant der Army, der
beträchtlich größer war als er und dessen grobes,
knochiges Gesicht von wulstigen Narben entstellt war wie das eines
Berufsboxers.
»He, Sie haben ja richtige
Orden«, sagte Luciano. Er tauchte mit einer Schulter unter den
Arm des großen Mannes, vollführ te eine Drehung, und der
Sergeant flog kopfüber in die Sen kung.
Luciano blickte zu dem Offizier auf.
»Er hat einen Fehler gemacht. Lassen Sie nicht zu, daß er
einen zweiten macht.«
Der Captain hatte sehr helles Haar
und ein hübsches arrogan tes Gesicht. Etwas regte sich in den
blauen Augen, und dann hatte der Sergeant sich aufgerappelt und lief
drohend, mit aus gestreckten Armen auf Luciano zu. Als er noch etwa
zwei Me ter entfernt war, fuhr Lucianos Hand mit der elfenbeinernen
Madonna aus der Hüfttasche. Ein bösartiges Klicken, und die
Klinge sprang auf. Der Sergeant blieb ruckartig stehen, dann kauerte er
nieder und kroch näher.
Plötzlich hielt er inne, stand
wieder auf,
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