Luciano
ich kann nur sagen,
Colonel, ich bin verdammt froh, daß er auf meiner Seite
steht«, erwiderte Savage.
Maria erwachte am nächsten Morgen schon
früh aus einem tiefen Schlaf. Bleicher Sonnenschein drang durch
die Gardi nen. Maria blieb noch eine Weile liegen und dachte daran,
daß heute der letzte Tag war. Am Abend würde sie in einem
Flug zeug nach Algerien sitzen, eine Reise antreten, von der es keine
Wiederkehr geben würde.
Nicht, daß sie Angst gehabt hätte. Das
war vorbei. Nur, es paßte einfach nichts zusammen. Es war, als
träumte sie das alles. Noch vor ein paar Tagen hatte ihre Welt aus
dem Kloster und dem Krankenhaus bestanden, aus einem festen Tagesab
lauf, der ihre Zeit und ihr Leben ausfüllte, aus Arbeit für
Seele und Körper. Es hatte keine offenen Fragen gegeben. Aber
jetzt?
Sie stand auf und blieb neben dem
Bett stehen. Sie hatte nackt geschlafen, etwas, das sie seit Jahren
nicht mehr getan hatte, denn wie alle Nonnen trug sie im Kloster
sittsame leine ne Nachthemden.
»Schon der erste Rückfall, Maria«, sagte sie leise und schlüpfte in einen Bademantel.
Ihr Zimmer lag im Erdgeschoß,
und sie öffnete die Fenster tür, blickte hinaus in den Garten
und trat dann auf die Terrasse. Alles war unglaublich schön im
ersten Sonnenlicht, die Bäume trugen eine Art Heiligenschein, und
ein paar Krähen tauschten schläfrig klingende Rufe aus.
Und doch fühlte Maria sich
losgelöst, wie in einer Welt, die ihr fremd war, die sie nicht zu
fassen vermochte. Es war, als zöge das alles unter Wasser langsam
an ihr vorüber. Geistes abwesend ging sie, barfuß, die
Treppe hinunter und über das feuchte Gras.
Auch Luciano war früh
aufgewacht. Er saß im Pyjama am Fenster seines Schlafzimmers und
rauchte die erste Zigarette des Tages, als Maria den Rasen
überquerte und auf den Wald zuging. Er stand auf und sah ihr mit
leicht besorgter Miene nach, dann warf er die Zigarette aus dem
Fenster, wandte sich
ab und kleidete sich hastig an.
Maria ging durch den Wald, noch immer wie eine
Traum wandlerin, die Krähen schienen verstummt zu sein, und es
herrschte eine Stille, wie sie noch keine erlebt hatte. Sie ge langte
an einen künstlich angelegten See mit einer langen Mo le, machte
halt und blickte über das Wasser.
Plötzlich sagte eine Stimme ganz deutlich: Nichts haben und doch alles besitzen.
Es war ihre eigene Stimme gewesen,
die gesprochen hatte, und in diesem Augenblick war Maria in der
Wirklichkeit, hörte die Krähen droben in den Birken
lärmen, roch das feuchte Gras, sah die goldene Pracht des Morgens.
»Das also ist es!« dachte
sie. »Das ist die völlige Gewiß heit.« Nie hatte
sie sich so sehr eins gefühlt mit der Schöpfung. Es erschien
ihr als das Natürlichste von der Welt, daß sie aus dem
Bademantel schlüpfte und in das kalte Wasser des Sees watete. Sie
legte sich auf den Rücken und trieb so zwischen den Wasserlilien,
das Gesicht der Sonne zugewandt, die Augen geschlossen. Luciano blieb
mitten auf dem Waldpfad stehen. Er hatte Detweiler hinter einem Baum
kauern sehen, dort, wo der Pfad zum See abfiel. Lautlos schlich er
näher, bis auch er sehen konnte, was den Sergeant fesselte: Maria
Vaughan, die zwischen den Wasserlilien schwamm.
»He, Detweiler!«
flüsterte Luciano, und als der Sergeant sich erschrocken umdrehte,
rammte er ihm das Knie ins Gesicht. Detweiler fiel auf den Rücken,
überschlug sich, stand wieder und wollte sich auf Luciano
stürzen. Lucianos Hand kam mit der Madonna zum Vorschein, es
klickte, und die nadelscharfe Spitze fuhr unter Detweilers Kinn.
Luciano sagte: »Jetzt hör
mir gut zu, denn ich sag's nur ein mal. Wenn ich dich je irgendwo in
ihrer Nähe erwische, dann kommst du erst wieder als Kadaver zum
Vorschein, und im Maul hast du ein ganz spezielles Stück von
deiner Anatomie stecken. Ein alter sizilianischer Brauch.«
Detweiler glotzte ihn mit einem
Ausdruck an, der eine Mi schung aus Furcht und Haß war.
»Der Teufel soll dich holen, verdammter Spaghettifresser!«
keuchte er, wich einen Schritt zurück, machte kehrt und
verschwand.
Luciano klappte das Messer zu und
steckte es wieder in die Hüfttasche. »Hallo, mein
schönes Kind!« rief er auf sizilia nisch.
»Mister Luciano«, rief sie zur Antwort, »bitte bleiben Sie, wo Sie sind.«
Er vertrieb sich die Zeit mit einer
Zigarette und ging schließ lich den Pfad entlang bis zur Mole, wo
Maria gerade den Gür tel ihres Bademantels
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