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Lucifer - Traeger des Lichts

Titel: Lucifer - Traeger des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Webb
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anderen Erzengel schienen von den Lichtern und Lauten ringsum nichts zu sehen und zu hören; ihr Atem ging flach und hechelnd. Sam keuchte auf, als etwas gegen seinen Knöchel peitschte und direkt hindurchging wie ein Schatten. Das Keuchen ließ seine Lungen brennen und seinen Kopf schwindeln; es war keine Luft da.
    »Lucifer«, schmeichelte eine Stimme in seinem Ohr. »Bitte komm zu uns, Lucifer.«
    Vor sich konnte er einen weißen Durchgang sehen, auf den Jehova sie zuführte. Seine Hand war schweißnass - Michaels ebenso. Bilder erfüllten seinen Geist, als er auf jene Tür blickte - Bilder von einer nachtdunklen Oase, in der sie auskommen würden. Und andere - von den Schatten, von Irrwegen in dem endlosen weißen Nebel, vom Ersticken, vom Wandeln auf einem Bett des Todes und von Pestilenz, die er einatmete, während sie weitergingen.
    Nur die Söhne der Zeit konnten zwischen den Welten wandeln, jedermann sonst war blind.
    Aber er war nicht blind.
    »Lucifer.«
    Unwillkürlich wandte er sich zur Seite und spürte, wie seine Hand aus der Michaels glitt.
    Sofort wurde er zurückgezerrt. Geisterhafte Klauen krallten sich um seine Schultern und Hüften, versuchten ihn niederzuringen. Er riss sich los, rannte durch den Nebel auf die weiße Tür zu, das Bild seines Ziels vor seinem geistigen Auge.
    Es gab keine Luft mehr zum Atmen. Jehova war durch die Tür verschwunden, und die anderen verschwanden mit ihm. Sam stürzte vor, schloss seine Ohren gegen die bittenden Stimmen und bekam wieder Michaels Hand zu fassen. Durch den Nebel sah Sam ein weißes, verstörtes Gesicht, das sich mit blinden Augen hierhin und dorthin wandte. Er hatte Michael nie so angsterfüllt gesehen.
    Dann plötzlich waren sie durch, das Portal schloss sich hinter ihnen, und die Erzengel standen keuchend und nach Luft ringend da, während Jehova sie durchzählte, um zu sehen, ob keiner fehlte.
    »Schrecklich«, stöhnte Gabriel. »Diese Dunkelheit. Diese Stille.«
    »Ich glaube, du würdest das, was ich sehe, weit schrecklicher finden«, erwiderte Jehova milde.
    Michael starrte auf Lucifer, der auf dem Sandboden zusammengebrochen war und nun mit großen Zügen nach Luft schnappte. Er wirkte weit mitgenommener als der Rest. »Ich... glaubte schon, ich hätte dich verloren«, sagte er.
    Eine ganze Zeit lang blieb Sam still. Irrtümlich hielt Michael dies nur für eine Auswirkung des Weltenpfades.
    »Musst du dir eingebildet haben«, log Sam.
    Er war nun auf der letzten Teilstrecke; der Zug sollte um sechs Uhr zweiundfünfzig in Kaluga eintreffen. Während er dem eintönigen Rattern lauschte, betete er zu allen Göttern, die es nie gegeben hatte, dass seine Feinde, selbst wenn jemand seine Illusionen durchschaut hatte, nicht erkennen würden, dass Kaluga sein Endziel war. Dann ein weiteres Gebet, noch inbrünstiger, dass Wisperwind es ebenfalls geschafft hatte. Beten, obwohl er wusste, dass es nichts gab, zu dem er beten konnte, war alles, was ihm blieb.
    >Mutter?«
    >Ja?< Sie war immer da, wenn er sie rief - an diesem Ort zumindest, seinem verborgenen Ort in den Wolken.
    >Wer ist mein Vater?<
    >Ein liebes, freundliches Wesen.«
    >Wir sind zwischen den Welten gewandelt. Einen Monat lang war ich auf der Erde, und heute sind wir zurückgewandelt. Wer ist mein Vater?<
    >Wie hat dir die Erde gefallen?<
    >Mutter!<
    Sie schwieg, bevor sie antwortete: >Warum fragst du mich das?<, sagte sie schließlich. >Du hast die Antwort immer gewusst.<
    Im Zugabteil tastete Sam nach seinem Schwert Selbst durch die Umhüllung und die Schichten des Leders hindurch konnte er hören, wie es sein tödliches Lied sang. Es war seines Vaters Geschenk an ihn, genau wie die anderen, die legitimen Kinder, alle Geschenke erhalten hatten. Es war der endgültige Beweis.
    Er hatte gewusst, dass nur Kinder der Zeit Einlass in den Raum der Uhren erhielten. Er hatte auch gewusst, dass nur jeweils ein Kind dort zugegen sein durfte. Ferner hatte er gewusst, dass der Raum immer bewacht wurde, von Engeln, die nur Vater Zeit und seinen Königinnen treu ergeben waren.
    Doch die langen Stunden, in denen er Zauber und Tricks gelernt hatte, waren nicht vergebens gewesen. Als über den Wolken des Himmels die Sonne unterging und die Sterne in all ihrem Glanz hervortraten, hatte Sam seine weißen Erzengelgewänder angezogen, unter denen er eine Rolle Seil verborgen hatte, die um seine Hüften gewickelt war, und hatte sich von seiner Wohnstatt auf den Weg zu dem mit Gold gedeckten weißen Marmorpalast

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