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Lucifer - Traeger des Lichts

Titel: Lucifer - Traeger des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Webb
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wolle.
    »Geht es Ihnen gut?«
    Selbst sein Russisch drohte unter der Belastung zusammenzubrechen. Er kaufte eine Fahrkarte nach Minsk; er wusste selbst nicht warum, nur, dass er so weit weg wollte wie möglich. Peter hatte seine Tasche mit den Pässen darin - was wahrscheinlich bedeutete, dass er ein Tor benutzen musste.
    Aber mit Andrew dürfte es schwieriger werden. Sie werden Probleme haben, ihn aus dem Land zu schaffen. Er ist ein Sterblicher, er kann nicht einmal durch die Anderswelt gehen. Und sein Pass ist nutzlos. Alles hängt jetzt vom Mondgespinst ab.
    Sam versuchte sich auszumalen, was jetzt dort vorging, wenn das Mondgespinst-Netzwerk seine Möglichkeiten ausspielte. Nachdem der Wagen mit Andrew ein paar Stunden lang ziellos durch die Stadt geirrt war, würde er in eine Tankstelle fahren, wo ein anderes Fahrzeug wartete, auch mit drei Leuten. Zwei würden aus jedem Wagen aussteigen und zur Toilette gehen, sich etwas zu essen kaufen oder dergleichen. Bei der Rückkehr würde jedes Paar ohne Aufsehen in den >falschen< Wagen einsteigen und wegfahren. Diesen Trick würde man mehrmals wiederholen, vielleicht sogar mit Autos derselben Marke und
    mit demselben Kennzeichen, um mögliche Verfolger zu verwirren.
    Doch auch wenn das Mondgespinst-Netzwerk schnell handelte, war dies immer noch Feindesland. Wenn Stunde um Stunde mehr Andere hereinströmten, um die Straßen und Flughäfen zu beobachten, würden sie auch die Bahnhöfe überwachen? Oder waren sie auf seinen Bluff hereingefallen und hatten sich an die Flugbuchung auf Luc Satise und den zweiten, unidentifizierten Passagier gehängt?
    Am besten ist es, immer das Schlimmste anzunehmen. Dann kann man angenehm überrascht werden, wenn es anders kommt. Mittlerweile bereitete ihm seine Tarnung solche Mühe, dass er sich Sorgen machte, ob er die Illusion auf Dauer würde beibehalten können.
    Er entschied sich für einen Kompromiss. An einem Stand auf dem Bahnsteig kaufte er eine Tageszeitung. Doch erst als er im Zug war und dieser aus der Station ratterte und seine Sinne auf kein Anzeichen von Gefahr aufmerksam geworden waren, hob er die Zeitung, um sein Gesicht zu verbergen, während er die Illusion verblassen ließ. Ein Mitreisender bedachte ihn mit einem scharfen, fragenden Blick, doch kam zu dem Schluss, dass der glatt rasierte, dunkelhaarige Mann im Abteil die ganze Zeit dort gesessen hatte und dass er sich an das Gesicht eines bärtigen Herrn von einer, anderen Reise an einen anderen Ort erinnerte.
    Es tat gut, sein eigenes Gesicht wiederzuhaben. Die vernarbte russische Landschaft raste vorbei und ließ Devon trotz Sams Abscheu vor der Verschandelung der englischen Natur heimelig und gepflegt erscheinen. Russland, auch wenn Teile davon große Schönheit besaßen, war so endlos, dass die Menschen keine Hemmungen hatten, riesige Teile davon zu verunstalten. Und zu dieser Jahreszeit, wenn das Eis schmolz und der Schnee von einem langen Winter braun und klumpig in
    hässlichen Haufen herumlag, wirkte das Land öde und trostlos.
    Ein gutes Stück vor Minsk stieg er aus, nachdem er seine Illusion wiederhergestellt hatte, und legte sich einen Plan zurecht, wie er mit einer Reihe von. Zugwechseln über das russische Eisenbahnnetz nach Kaluga und zu seinem Treffen mit Wisperwind gelangen konnte. Es wurde zu einer langen und komplizierten Fahrt mit immer wieder derselben Routine: Einsteigen, Illusion sinken lassen, auf die nächste Umsteigemöglichkeit warten, eine neue Illusion aufbauen, einen anderen Zug besteigen, die neue Illusion ablegen ... Und die ganze Zeit ließ ihn die Frage nicht ruhen, was seine Verfolger wohl machten. Auch wenn er das Gefühl hatte, dass Augen ihn beobachteten, wusste er doch, dass er dieser Ahnung besser nicht nachgeben sollte. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt; wenn er nur an Spinnen dachte, konnte er sie krabbeln spüren, und wenn er von Möwen geträumt hätte, so hätte er gewiss ihren Schrei gehört und für Wirklichkeit gehalten.
    »Warum hat eigentlich niemand Interesse daran, die Erde zu beherrschen?«
    Annettes Frage hatte Sam überrascht »Wäre dir das lieber?«
    Es war in jenen Jahren der Dämmerung, als ihr Haar weiß zu werden begann, aber bevor sie anfing, ihm den Tod zu wünschen. Das würde bald kommen; doch jetzt bewegte er sich möglichst unauffällig in ihrer kleinen Wohnung, brachte ihr Tee und versuchte zu vergessen, wie alt und müde sie geworden war. »Warum nicht?«
    Er musste einen Moment nachdenken,

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