Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lucifer - Traeger des Lichts

Titel: Lucifer - Traeger des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Webb
Vom Netzwerk:
gemacht, der sich über einer diamantenen Klippe erhob.
    Am Tage führte eine Treppe aus Sonnenlicht dorthinauf, in der Nacht eine aus Sternenschein. Der Weg war bewacht, und einen anderen gab es nicht. Lucifer nahm dieses Problem auf seine Art in Angriff. Wenn es Thor gewesen wäre, der versucht hätte, sich Zugang zum Palast zu verschaffen, hätte es Mord und Totschlag gegeben. Wäre es Jehova gewesen, hätte er die Wächterengel glauben gemacht, das Richtige zu tun, indem sie ihn durchließen. Doch Sam war keiner von den beiden. Außerdem rechneten die Engel nicht damit, dass ein Sohn der Magie sich in den Palast einzuschleichen versuchte.
    Sam wusste, dass Jehova auf der Erde war und noch ein paar Tage dort bleiben würde. Er wusste auch, dass nur Wesen mit besonderen magischen Fähigkeiten eine Illusion durchschauen konnten. Und schließlich wusste er, wie seine Mutter ihm gesagt hatte, dass er ihr einziger Sohn war, der kein sterbliches Blut besaß, und gewiss ihr einziges Kind im Himmel. Und so bedeckte er am Fuß der silbrigen Treppe aus Sternenlicht sein Gesicht mit den Händen, und als er wieder aufblickte, war es nicht Sam, der dort stand, sondern Jehova.
    Selbstsicher begann er nun den Aufstieg. Ein Engel sprach ihn an, als er vorbeiging, und er antwortete in demselben salbungsvollen Tonfall, den Jehova immer benutzte. Am oberen Ende der Treppe war er nicht einmal außer Atem, und selbst sein Gang glich dem Jehovas - eine Art Über-den-Boden-Gleiten, fast ein Schweben so vollkommen war die Illusion.
    »Ich gehe zum Raum der Uhren«, sagte er zu einem anderen Engel.
    Es gab einen hektischen Moment, als er vor dem Raum der Uhren stand und darauf wartete, eingelassen zu werden, und eine andere Tür aufgehen sah. Athene kam heraus. Sie warf Sam einen bösen Blick zu, alte Schule an junge Schule, und rauschte vorbei. Doch als sie schon an ihm vorüber war, überlegte sie sich die Sache noch einmal und wandte sich um. »Du besuchst den Raum?«
    Er nickte, da er sich gerade noch rechtzeitig erinnerte, wie wenig Jehova redete.
    »Warum?«
    »Weil es mein Wille ist, Schwester.«
    Sie runzelte leicht die Stirn, und einen Augenblick lang dachte er, sie hätte die Illusion durchschaut. Doch dann schüttelte sie den Kopf und ging weiter. Ihm war der Schweiß ausgebrochen, und seine Hände zitterten. Er presste sie zusammen, bis die Knöchel weiß hervortraten, um das Zittern zu unterdrücken, und wäre beinahe zusammengeschreckt, als ein Engel mit leiser Stimme verkündete, er könne nun eintreten.
    Mit einer Verbeugung des Dankes, respektvoller Erlöser bis zuletzt, stieß er die große goldene Tür auf, die er zu anderer Zeit als protzig bespöttelt hätte, und betrat einen Raum, der von tickenden Uhren dröhnte. Oder genauer gesagt, von einem einzigen großen Ticken. Die Wände, die Decke, der riesige Boden waren bedeckt mit Uhren - Pendeluhren, Sonnenuhren, Stundengläsern, Wasseruhren; Uhren jeder Art. Zu jeder Sekunde bewegte sich der kleinste Zeiger an jeder Uhr, jeder mit einem präzisen Klick, fielen die Wassertropfen, rannen die Sandkörner; ein rhythmischer Laut, der, zusammengenommen, wie das Pochen eines riesigen Herzens den Raum erfüllte. Da Sam Sich sicher war, allein zu sein, ließ er seine Illusion fallen, drehte sich langsam und sah dem Wunder zu, wie jede Uhr der Ewigkeit entgegentickte.
    Wenn diese Uhren aufhörten zu ticken, dann, so wusste er, war Chronos tot. Wenn sie gegen den Uhrzeigersinn zu laufen begannen, war Uranos König.
    Wie er sich so langsam um die eigene Achse drehte, eine kleine, winzige Gestalt in dem riesigen Raum, fragte er sich plötzlich, was er hier eigentlich suchte. Hatte er ein Zeichen erwartet? Die Zeit gab nie ein Zeichen. Man sah Chronos nie, genau wie er seine Mutter nie wirklich gesehen hatte, nur ein schattenhaftes Bild ihrer selbst. Die Höheren Mächte waren jenseits körperlicher Gestalt, was es so schwer machte, ihnen in die Augen zu sehen. Doch man konnte Chronos um eine Gunst bitten. Wie zeigte er, dass er zuhörte?
    Weil er immer zuhört, weil wir Teil von ihm sind, eine Verlängerung seines Willens.
    »Vater!«, rief er leise, was ihm sofort irgendwie töricht vorkam. Welche Reaktion erwartete er? »Du weißt besser als ich, warum ich hier bin. Das heißt, wenn es einen Grund dafür gibt.«
    Keine Antwort. Langsam kniete er nieder, seine starren Augen blickten nirgendwo und überall zugleich hin.
    »Was bin ich?«, fragte er. »Dein Bastardsohn? Ein weiteres

Weitere Kostenlose Bücher